Landwirtschaft und die von ihr geprägten ländlichen Räume haben häufig ein großes Handicap bei der Nutzung der Digitalisierungsfortschritte: Es mangelt an der Versorgung mit leistungsfähigem Internet.
Im Hinblick auf die 2019 vorgesehene Versteigerung von Frequenzen für den Ausbau eines Mobilfunknetzes der neuesten, fünften Generation („5G“) haben der Deutsche Bauerverband (DBV), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), des Deutsche Landkreistag (DLT) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) mehrfach gemeinsam Position bezogen und einen wirklich flächendeckenden Ausbau des 5G-Netzes unter Einbeziehung des gesamten Frequenzspektrums gefordert. Der neue Mobilfunkstandard 5G ermöglicht zahlreiche neue Anwendungen in der Wirtschaft (Wirtschaft 4.0, Landwirtschaft, Handwerk), im Bereich der Mobilität, bei der Entwicklung von Smart Cities bzw. Smart Regions im Gesundheitswesen oder beim E-Government. Die neuen und verbesserten Anwendungen versprechen enormen volkswirtschaftlichen Nutzen. Der im Koalitionsvertrag angekündigte „flächendeckende Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025“ muss zu einer wirklich flächendeckenden Gigabit-Infrastruktur führen.
Immer mehr Landwirte beklagen zu langsames Internet
77 Prozent der Landwirte in Deutschland sind nach Ergebnissen des DBV-Konjunkturbarometers Agrar aus März 2018 mit ihrem Zugang zum Internet nicht zufrieden. Damit ist der Unmut über eine unzureichende Internetversorgung im Vergleich zum Vorjahr erheblich größer geworden. Im März 2017 waren „nur“ 67 Prozent der repräsentativ befragten Landwirte mit ihrem Internetzugang unzufrieden. Diese Unzufriedenheit fängt an mit Angaben wie „Internet funktioniert gar nicht“ und geht hin bis zu Angaben wie „mein Internet könnte etwas schneller sein“. Die Versorgung mit schnellem Internet ist zwar im Jahresvergleich etwas besser geworden, aber noch stärker sind die Anwendungserfordernisse gestiegen, so dass sich die Zufriedenheitsquote drastisch verschlechtert hat. Diese Ergebnisse belegen die weitgehend schlechte Internetversorgung ländlicher Räume mit Internet einerseits und die wachsenden Netzanforderungen andererseits.
Wie die Erfahrungen mit dem Ausbau der Mobilfunknetze der bisherigen Generationen und mit dem Festnetzausbau zeigen, wird eine flächendeckende Infrastruktur, die unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse unverzichtbar erscheint, nicht rein privatwirtschaftlich erreichbar sein. Deshalb setzt ein erfolgreicher 5G-Rollout einen planvollen, aufeinander abgestimmten Ausbau gigabitfähiger Infrastrukturen im Festnetz- und Mobilfunkbereich voraus.
Die von der Bundesnetzagentur im November 2018 beschlossenen Versorgungsauflagen im Zusammenhang mit der Versteigerung von 5G-Frequenzen sieht der Deutsche Bauernverband zusammen mit dem DIHK, dem DLT und dem ZDH als unzureichend an. Von der Politik erwarten die Verbände, dass sie die Voraussetzungen für einen vorausschauenden und aufeinander abgestimmten Ausbau gigabitfähiger Infrastrukturen im Festnetz- und Mobilfunkbereich nochmals vertieft diskutiert, und dass dabei auch unkonventionelle oder neue Lösungsansätze in die Betrachtung einbezogen werden. Die Verbände haben dazu ein von dem renommierten „5G Lab Germany“ in Dresden erarbeiteten Verfahrensvorschlag vorgelegt, in dessen Ergebnis eine Versorgung der Fläche mit 5G-Mobilfunk mit Anbindung an das Glasfasernetz zeitnah und nicht zuletzt auch wirtschaftlich erreicht wird. Diskussionspapier des 5G Lab Germany Dresden – initiiert durch die Verbände DIHK, DLT, ZDH und DBV
Digitale Infrastruktur als Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse basiert auf gleichwertiger Infrastruktur. Es geht um die Wirtschaftskraft und damit die Lebensperspektiven der Menschen in ländlichen Räumen. Deshalb sollten dort grundsätzlich die gleichen Anwendungen/Dienste möglich sein wie im städtischen oder stadtnahen Bereich. Im ländlichen Räumen sollten die Vorteile von Mobilität 4.0, Telearbeit, E-Health, E-Government sowie Handwerk und Landwirtschaft 4.0 genauso genutzt werden können wie in stadtnahen Gebieten oder in der Stadt. Nur über eine solche flächendeckende Versorgung mit leistungsfähigem Internet lassen sich die weiten Entfernungen als Standortnachteil ländlicher Räume überbrücken und die Attraktivität ländlicher Räume als Wirtschafts-, Arbeits- und Wohnstandort sicherstellen.
Gigabit-Cloud über dem Acker
Die pflanzenindividuelle Versorgung mit Nährstoffen sowie die punktgenaue Bekämpfung von Schadorganismen und Förderung von Nützlingen zeigen die Potentiale der Digitalisierung in der Landwirtschaft auf. Sensortechnik ist dazu die Ausgangsbasis. Immer kleiner und kostengünstiger werdende Sensoren produzieren zunächst nur riesige Mengen an Daten (Big-Data). Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) kann mit diesen Daten ein noch so kleines Insekt, ein noch so seltener Pilz oder ein noch so spezifischer Nährstoffmangel identifiziert und der Erfordernis der Förderung Nutzpflanze entsprechend behandelt werden. Auf diese Weise ließe sich auch die Biodiversität pflanzenindividuell steuern. Für Experten steht fest, dass die KI aus der Cloud über dem Acker kommt, um in der gebotenen Echtzeit die erforderliche Behandlung der Pflanzen vornehmen zu können. Voraussetzung dazu ist eine hochleistungsfähige Datenübertragung, vor allem dort, wo die Cloud basierte Verarbeitung der Daten und internetbasierte Plattformen erst den wirklichen Nutzen erbringen. Am Internet aber scheitern derzeit viele Anwendungsmöglichkeiten besonders im Ackerbau, siehe auch „Ackerbaustrategie“. Alternativ wird mit aufwendigen und damit kostenträchtigen Behelfslösungen versucht, die unzureichende Konnektivität zu überbrücken bzw. Konnektivität dann wiederaufzubauen, sobald eine Internetverbindung vorliegt.
„Moderne Landwirtschaft hat digitale Milchkannen“
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV)im November 2018: „Die Milchkannen in der modernen Landwirtschaft sind digital und brauchen einen schnellen und flächendeckenden Internetzugang. Leistungsfähige digitale Infrastrukturen entscheiden über die künftige Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit nicht nur der Landwirtschaft, sondern auch des gesamten ländlichen Raumes. Mit der Versteigerung der 5G-Frenquenzen werden jetzt die Weichen dafür gestellt, ob das Land abgehängt wird - oder ob Zukunft auf dem Land wachsen kann.“