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Gerald Dohme
Stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Foto: DBV/Breloer

Das Erfolgsmodell der Berufsbildung in Deutschland wird stetig weiterentwickelt und ist auch für den bäuerlichen Berufstand von höchster Bedeutung. Die Zukunft gestärkt anzugehen und mitzugestalten, erfordert fachliche Qualifikation und das Entwickeln von Persönlichkeiten. Und diese werden gebraucht auf unseren Betrieben, um die weiter steigenden bürokratischen Anforderungen und die neuen digitalen Kompetenzfelder zu bewältigen. Wir brauchen sie aber auch, um dem gesellschaftlichen Druck auf alle hier Tätigen und Lebenden und den zunehmenden massiven Anfeindungen Stand zu halten.

Berufsbildung muss sich immer wieder neu erfinden

Das Bestreben der Bundesregierung seit einigen Jahren die Berufsbildung zu modernisieren und zu stärken unterstützen wir sehr, auch wenn das agrarische Bildungssystem bislang ohnehin schon gut aufgestellt ist und wir selbst kontinuierlich berufsständisch an der Weiterentwicklung arbeiten. Allerdings beinhaltet das Berufsbildungsmodernisierungsgesetz (BBiMoG) auch Punkte, die wir nicht unterstützen. Insbesondere die Einführung neuer Begriffe wie Bachelor Professional und Master Professional für bislang bewährte Abschlüsse bei der Fortbildung  sprich Meister oder Fachagrarwirt  lehnen wir entschieden ab. Hat uns der "Bologna-Prozess" in der akademischen Welt nicht schon deutlich genug gezeigt, dass die Aufgabe des deutschen "Diploms" keine Vorteile mit sich brachte? Wer soll mit diesen neuen "Titeln" denn auf dem Arbeitsmarkt punkten? Zudem haben wir kein Verständnis für Maßnahmen, die den Umsetzungsaufwand im Prüfungsbereich deutlich erhöhen und den Verwaltungsaufwand für die zuständigen Landwirtschaftskammern und -ämter ausweiten.

Die richtige Kommunikation lernen

Nachwuchs braucht jeder, doch nicht jeder Betrieb bildet aus. Umso wichtiger ist es, dass diejenigen Betriebe, die ausbilden, mit Stolz auf diese Leistung, die der gesamten Branche zugutekommt, verweisen können.

(Foto: Christian Mühlhausen/landpixel.eu)

Das klare Bekenntnis der Bundesregierung zur Modernität, Flexibilität und Attraktivitätssicherung der beruflichen Aus- und Fortbildung unterstützen wir hingegen. Wir brauchen eine inhaltliche Verankerung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der dualen Berufsausbildung. Wir brauchen weiterhin produktions- und verfahrensneutrale, inhaltlich übergreifend formulierte Regelungsstandards, die dauerhaft gültig sind. Wir brauchen das klare Signal für unseren engagierten Berufsnachwuchs, dass die Bundesförderung für die berufliche Fortbildung ausgebaut wird und künftig eine finanzielle Gleichbehandlung von beruflicher Fortbildung und Hochschulbildung umgesetzt wird. Schließlich ist es von zentraler Bedeutung, dass wir die Inhalte des Berufs Landwirt/in neu fassen:

Heute steht der Betriebsleiter neben den Fachthemen des Ackerbaus und der Tierhaltung auch vor neuen Aufgaben durch die zunehmende Digitalisierung, und zwar technisch, auf Maschinen und im Stall, sowie kommunikativ auch mit Aspekten des Datenmanagements. Apropos Kommunikation: „Tue Gutes und rede darüber“ – die ausgebildete Landwirtin und ihr männlicher Kollege, beide müssen auch darin ausgebildet werden, auf kritische Fragen der Nachbarn und der Lehrer ihrer Kinder gekonnt zu antworten und zu reagieren. Weg mit dem Ärger darüber, dass einem das beste erst hinterher eingefallen ist. Wir haben einen überragend schönen und wertvollen Beruf und können mit fairer Kritik umgehen und entsprechend kontern.

Nachwuchs schafft Zukunft

Dass Nachwuchs kein Selbstläufer ist, hat sich ja bereits herum gesprochen, aber warum braucht es überhaupt eine smarte Nachwuchswerbung? Weil wir im Wettbewerb um die pfiffigen jungen Menschen - Betriebsnachfolgerinnen und Mitarbeiter - stehen, denen auch andere Wege zur beruflichen Entwicklung offenstehen. Mit unseren Ausbildungsoffensiven gehen wir schon moderne Wege und haben neben Veranstaltungen, Events und persönlichen Begegnungen in den letzten Jahren insbesondere die Präsenz in den Neuen Medien professionalisiert. Hier gilt es weiterhin, die Lebenswirklichkeiten der nächsten Generation anzusprechen und immer wieder zu unterstreichen, dass unsere Branche vor Zukunftschancen nur so strotzt. Und auf den Betrieben? Ja, auch hier ist die umfassende Betreuung, ist der häufig gelebte Familienanschluss wichtig. Allein die begehrte Auszeichnung "Ausbildungsbetrieb des Jahres" ist ein Zeichen für den flächendeckenden Einsatz der Ausbildungsbetriebe für die Zukunft. "Farmers for future" eben! Und bei denjenigen - und das sei hier bewusst gesagt - bei denen regelmäßig Azubis nach wenigen Wochen das Weite suchen, sind die Ausbilder gefordert, ihre generelle und ganz persönliche Ausbildereignung selbstkritisch und ehrlich zu hinterfragen.

Wer die Welt bereist, stärkt seine Persönlichkeit

Ins Ausland zu gehen, ist für viele junge Leute eine ganz besondere Herausforderunge, die es sich aber lohnt, anzunehmen. Einige Vorteile liegen auf der Hand: Während der Zeit im Ausland erweitern Austauschteilnehmende z. B. gezielt ihre Sprachkenntnisse. Vor allem sind es aber die Begegnungen, die einen starken Einfluss auf die persönliche Entwicklung haben. Einmal weit weg von Zuhause zu sein, eröffnet die Möglichkeit, über sich hinaus zu wachsen. Ein neues Umfeld auf eigene Weise zu meistern und dadurch selbstständiger und reifer zu werden, ist mehr als eine lebenswichtige Erfahrung. In eine andere Kultur eintauchen, bedeutet andere Lebensweisen kennenzulernen, Weitblick zu erhalten und Dinge aus anderen Perspektiven zu sehen und zu bewerten. So wird nicht nur die eigene Persönlichkeit gestärkt, sondern auch der fachliche Blick geschärft. Noch hat es keinem geschadet sich mit anderen Anbautechniken, Technologien und Sichtweisen auseinanderzusetzten. Zahlreiche Beispiele zeugen von erfolgreicher Umsetzung des in der Ferne gelernten auf den eigenen Betrieben zuhause.

Unterstützung und Förderung nutzen

Und ja: Mit der Stiftung für Begabtenförderung der Deutschen Landwirtschaft und der Schorlemer Stiftung haben wir seit langem eigene Instrumente in der Hand, auch auf Bundesebene unseren Nachwuchs zu fördern. So hat die Schorlemer Stiftung als bedeutendster Förderer für internationale Praktika im landwirtschaftlichen Bereich im Jahr 2019 über 150 Autauschwillige auf deren Weg ins Ausland begleitet - Trend steigend, auch wenn die Pandemie in diesem Jahr einen Wachstumsknick brachte. Das Sammeln von Erfahrungen im Ausland ist für den fachlichen und persönlichen Background nicht zu vernachlässigen - auch nicht beim Beruf des Landwirts. Daher ist eine frühzeitige Planung und Einbindung verschiedenster Varianten von Austauschmöglichkeiten für die Zukunft unseres Nachwuchses immer eine Überlegung wert!

Berufung als Beruf

Eigenverantwortlichkeit, unternehmerisches Talent, Fach- und Themenkompetenz sowie belastbare Persönlichkeitsstrukturen sind unabdingbare Eigenschaften zur Bewältigung der großen Herausforderungen. Diese Eigenschaften muss auch unser Nachwuchs mitbringen! Politik, Verbände, Organisationen und auch die Bauernfamilien selbst sind und bleiben gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen und Unterstützungen zu liefern, damit wir erfolgreich bleiben können.