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Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Foto: DBV/Breloer

Versorgungs- und Ernährungssicherheit politisch absichern, weitere Gemeinwohl- und Nachhaltigkeitsleistungen durch Kooperation und angemessene Honorierung ermöglichen, im Wettbewerb auf Augenhöhe kommen: das sind die Grundbestandteile des Zukunftskonzeptes Landwirtschaft, die der DBV im April vorgestellt hat.

Ernährungssicherung ins Grundgesetz

Nicht erst in dieser Legislaturperiode, sondern schon in den vorhergehenden Jahren hat die Landwirtschaft es immer wieder erlebt, dass ihre Kernaufgaben Lebensmittelerzeugung und Versorgungssicherung in der gesetzgeberischen Güterabwägung kaum berücksichtigt oder bestenfalls als selbstverständlich angenommen worden sind. In der Folge wurde die Erfüllung dieser Aufgaben mit immer höheren Lasten und Auflagen belegt und zunehmend schwieriger. In offenen Märkten ist das zunächst für Verbraucher und Gesellschaft kaum spürbar, für die Landwirte aber umso mehr. Jüngstes Beispiel ist das Insektenschutzpaket. Mit der Festschreibung von Versorgungs- bzw. Ernährungssicherung zu hohen Standards (und des Klimaschutzes) im Grundgesetz würden die genannten Probleme nicht schlagartig verschwinden, aber bei der Abwägung im Rahmen von Gesetzgebung und Rechtsprechung könnte mehr Gleichrangigkeit hergestellt werden.

Den Weg bereiten für gesellschaftlich gewünschte Leistungen

Dann zum zweiten Teil des Konzeptes: Die Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft stehen nicht nur im Mittelpunkt der agrarpolitischen Diskussion, sondern die Forderungen bezüglich Umfang und Ausmaß haben auch mittlerweile einen Höchststand erreicht und den Bezug zur notwendigen Finanzierung dieser „gesellschaftlich gewünschten“ Leistungen weitgehend verloren. Bekanntlich ist die Landwirtschaft bereit, diese Leistungen zu erbringen, wenn daraus eine wirtschaftlich sinnvolle Perspektive für die Betriebe entsteht. Also gilt es, hier Ernst zu machen und zusätzliche Finanzmittel aufzurufen, und zwar über das bewährte Instrument der Gemeinschaftsaufgaben.

Kooperation beim Naturschutz, Augenhöhe im Wettbewerb

Teil drei und vier sind für die Landwirtschaft selbsterklärend und an dieser Stelle schon mehrfach dargestellt: Verbindliche Festschreibung des Kooperationsprinzips beim Schutz von Umwelt, Natur, Biodiversität und Klima sowie die weitere Stärkung der Landwirte in der Lebensmittelkette in Verbindung mit einer verbindlichen Haltungs- und Herkunftskennzeichnung von nachhaltig erzeugten Produkten aus Deutschland. Damit wird eine Grundlage gelegt für eine angemessene Bezahlung hoher und höherer Standards im Markt – nennen wir es Deutschland-Bonus oder auch Nachhaltigkeits-Dividende.

Landwirtschaft als Schlüssel zur Lösung

Mit dem Zukunftskonzept wollen wir keine schlüsselfertige Lösung für alle anstehenden politischen Projekte liefern, aber einen starken Impuls setzen, um Gesellschaft und Politik an die logischen Konsequenzen ihrer eigenen Forderungen zu erinnern, um die Land- und Agrarwirtschaft als Schlüssel zur Lösung unserer Herausforderungen rund um Nachhaltiges Wirtschaften zu positionieren und last but not least um auch der Wahlkampfarena der kommenden Monate eine Aufgabe zu stellen.

Ziel: den politischen Diskurs vorantreiben

Diese Anliegen lassen sich mit logischer Konsequenz aus vielen Elementen unserer öffentlichen „Landwirtschafts-Debatte“ ableiten. Wer eine nachhaltige Landwirtschaft fordert, die mit hohen Standards und in vielfältigen Strukturen arbeitet, wer deren Beitrag zu Umwelt-, Natur- und Klimaschutzzielen ohne Export der Erzeugung und ohne „leakage“-Effekte weiter ausbauen will, kann eigentlich die Vorschläge dieses Zukunftskonzeptes nicht ablehnen. Die ersten Reaktionen auf die Vorschläge bestärken uns jedenfalls. Auch wenn einige wenige Akteure mit den üblichen ritualisierten Ablehnungen dabei sind, sind die Rückmeldungen positiv und vor allem von Neugier und Interesse getrieben – womit wir beim Ziel der Übung wären, nämlich den politischen Diskurs in Gang zu bringen.

Abschließender Hinweis: Sie finden das vollständige Konzept hier.

Grünland - kein Selbstzweck

Foto: Plonk66/pixabay

Zahlreiche Befindlichkeiten und Unsinnigkeiten prägen den gesellschaftlichen Diskurs zum Thema Grünland – nicht wenige sind kontraproduktiv für den Naturschutz.

(Foto: Plonk66/pixabay)

Nun aber zum fachlichen Schwerpunkt: intensiv genutztes Wirtschaftsgrünland gehört sicherlich zu den „unterschätztesten“ Flächennutzungen im Hinblick auf eine ganze Reihe von agrarisch und agrarpolitisch relevanten Größen: Wirtschaftlicher Erfolg von Futterbaubetrieben, Proteinliefervermögen, Stickstoff-Effizienz, Kohlenstoff-Bindung und vieles mehr. Die Leistungen der Grünlandbewirtschaftung in Sachen Biodiversität, Artenschutz und Kulturlandschaft werden in der öffentlichen Debatte zwar nicht unterschätzt – die Tatsache, dass Grünland kein Selbstzweck ist und sich nur über eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung darstellen lässt, findet hingegen kaum Beachtung. Vor diesem Hintergrund hat der DBV eine Grünland-Agenda erarbeitet, um diese Debatte in den richtigen Rahmen zu setzen, um dem Wirtschaftsgrünland einen angemessenen auch agrarpolitischen Stellenwert zu geben und um die daraus resultierenden Forderungen und Rahmenbedingungen einzubringen.

Wirtschaftsgrünland eine Perspektive geben

Beim Thema Grünland geht es um ähnliche Missverständnisse wie in vielen Bereichen der Landwirtschaft. Es fungiert als Projektionsfläche für viele Wünsche, vor allem von Seiten des Naturschutzes: Artenreich soll das Grünland sein, möglichst extensiv bewirtschaftet, es soll vor allem die überwinternden Gänse füttern. Es soll nicht zu früh gemäht oder beweidet werden, auch wenn der Aufwuchs zu nichts wirklich zu gebrauchen ist und selbst die Wiesenbrüter keinen Spaß daran haben. Es darf nicht verändert, auch nicht wiederhergestellt werden, wenn die Narbe geschädigt ist und es muss möglichst mit der Glasglocke des Biotopschutzes vor der landwirtschaftlichen Nutzung bewahrt werden. Bei diesen Konfliktfeldern finden wir viele „wasch-mich-aber-mach-mich-nicht-nass“-Befindlichkeiten und krasse fachliche Unsinnigkeiten. Biotope und Kulturlandschaftstypen, die erst durch eine bestimmte Form der Nutzung entstehen, kann man mit den Stereotypen des behördlichen und ordnungsrechtlichen Naturschutzes eigentlich nur zerstören. Extensivierung per Verordnung hat viele Folgen, von der schlechteren Ressourcenbilanz über höheren Zukauffutterbedarf und Einkommensverluste bis hin zur Entwertung von Flächen. Da gerät ein gesetzlicher Biotopschutz schnell zum Instrument für eine Enteignung im Wege der kreativen Biotopkartierung. Das Wirtschaftsgrünland braucht eine Perspektive – deshalb unsere Grünland-Agenda.