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Steffen Pingen
Fachbereichsleiter Umwelt | Nachhaltigkeit
Foto: MIKA-fotografie | Berlin

Mit der Brandenburg-Wahl geht zwar der Wahlmarathon in Deutschland fürs Erste zu Ende, die Wirkung wird aber noch lange nachhallen. Nicht nur, dass die Regierungsbildung in Sachsen, Thüringen und Brandenburg dauern wird. Auch wird sich in diesem Herbst entscheiden, ob die mehr oder minder stark abgestraften Parteien der demokratischen Mitte ihren Sturzflug fortsetzen, diesen möglicherweise gar noch beschleunigen oder aber tatsächlich Lehren aus den Wahlergebnissen gezogen werden.

Durchhalteparolen und vorgetäuschte Eingeständnisse
Ob mit dem Rücktritt der Parteiführung der Grünen ein Politikwechsel eingeläutet wird oder damit nur ein personeller Neuanfang nach den schlechten Wahlergebnissen verbunden ist, bleibt abzuwarten. Ansonsten sind bisher lediglich Durchhalteparolen und vorgetäuschte Eingeständnisse, die Botschaft der Wähler verstanden zu haben, festzustellen. Kritische Selbstreflektion hinsichtlich der eigenen Politik als Ursache für diese Wahldebakel: Fehlanzeige. Durch die Bank wird betont, es bedürfe nur einer besseren Vermittlung der Politik und mehr Beteiligung. Es fehlt aber eine kritische Selbstwahrnehmung hinsichtlich der eigenen Politik oder vor allem der gewählten Strategien für ansonsten unterstützenswerte Ziele. Dass den Wählern unterstellt wird, Leugner des Klimawandels oder der Herausforderungen im Bereich der Biodiversität zu sein, wenn der Grünen-Linie nicht gefolgt werde, offenbart das Weltbild der Grünen und die dreiste und zugleich auch gefährliche Einschätzung, dass alle Kritiker einer grünen Politik Populisten und Rechte sind. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass sich mit dieser moralischen Hybris die populistischen Ränder des Parteienspektrums hierdurch über mangelnden Zulauf nicht beklagen müssen.

Naturwiederherstellungsziele dürfen kein Rückfall in alte Grabenkämpfe sein
Mit dem Inkrafttreten der europäischen Naturwiederherstellungsverordnung (NRL) im August geht ein nach langem Ringen zwischen den europäischen Institutionen, NGOs und den betroffenen Landwirten und Landnutzern verabschiedetes Regelwerk für den Naturschutz in eine neue Phase: die nationale Umsetzung. Wurde die Verabschiedung auf Naturschutzseite im BMUV mit Sekt auf der Bühne gefeiert, weil endlich Flächen in großem Umfang für den Naturschutz und die Wiederherstellung der Natur gesichert sind, wird die Verabschiedung der Naturwiederherstellungsverordnung bei den Landwirten und anderen Landnutzern sowie Grundeigentümern als rückwärtsgewandte Politik und als Abkehr von der Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz kritisiert. Die im Koalitionsausschuss im März 2023 vereinbarten Vorhaben, ein Flächenbedarfsgesetz für den Naturschutz zu schaffen und den Naturschutz auch mit Vorkaufsrechten für Flächen in der Agrarlandschaft auszustatten, verstärken die Sorgen der Landwirte und Grundeigentümer, in der Nutzung verdrängt zu werden und eine dramatische Zunahme des Flächendrucks zu erhalten. Das BMUV betont indes, dass die Umsetzung mit den Landwirten und Grundeigentümern erfolgen soll, ob eine Vorfestlegung auf die Kooperation, Freiwilligkeit und Honorierung von Umweltleistungen erfolgt, bleibt abzuwarten.

Naturschutz braucht neue Finanzierungswege
Ein zentrales Manko der EU-Naturwiederherstellungsverordnung ist das fehlende Geld für die Umsetzung. Ohne frische Finanzierungstöpfe bei ansonsten knappen Kassen ist der Griff nach den Mitteln der Europäischen Agrarpolitik ein bekannter und ebenso schlechter Reflex von Seiten der Umwelt-NGOs und mancher Umweltpolitiker. Berechtigt ist dann auch der Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Ankündigungen, die Naturwiederherstellungsziele kooperativ mit den Land- und Forstwirten sowie Grundeigentümern umzusetzen, wenn die Flächen-Zielmarken schon gesetzt sind und mit Verweis auf das NRL künftig auch mit Nachdruck und am Ende über den EuGH eingefordert werden, Geld aber nicht vorhanden ist. Die schlechten Erfahrungen mit Versprechungen von Seiten des Naturschutzes wirken auch jetzt noch von der Umsetzung der FFH-Richtlinie nach. Die GAP wird es nicht leisten können, weder von der inhaltlichen Ausrichtung noch vom Budget – das ist klar. Einmal mehr wird deutlich, dass der Naturschutz eigene Finanzierungswege benötigt, ohne aber die GAP zu kannibalisieren. Um vergleichbar mit dem freiwilligen Kohlenstoff-Markt bzw. im Zusammenhang mit den Verpflichtungen für Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auch im Bereich Biodiversität und Naturschutz private Mittel zu akquirieren, haben der NABU und der DBV gemeinsam mit dem ZALF in Müncheberg die Trägerschaft für AgoraNatura – den ersten Online-Marktplatz für Naturschutzmaßnahmen – übernommen. Künftig sollen Landwirte, Kulturlandschaftsstiftungen, Kooperativen oder Landschaftspflegeverbände für nach einem NaturPlus-Standard zertifizierte Naturschutzprojekte unterschiedlicher Größe auf diesem Marktplatz Sponsoren und Investoren finden können. Sowohl über Crowdfunding als auch durch Partnerschaften mit Unternehmen können die Projekte finanziert werden, die Investoren erhalten hierfür Naturschutzzertifikate.

Strategischer Dialog greift zu kurz
Nach dem Vorbild der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hat Prof. Strohschneider auf Einladung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Rekordtempo einen Strategischen Dialog über die Zukunft der Landwirtschaft abgeschlossen und der Öffentlichkeit ein Arbeitsdokument vorgestellt. Die Inhalte des Arbeitsdokumentes bleiben jedoch deutlich hinter den Erwartungen der deutschen Landwirte zurück. Während die Zukunftskommission Landwirtschaft noch nicht im Zeichen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und unsichererer Märkte und Lieferketten stand, hätte der Strategische Dialog auf europäischer Ebene bereits sehr viel stärker die Themen Ernährungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit adressieren können und müssen. Stattdessen liest sich der Bericht bei vielen Themen wie eine Bestätigung des bisherigen Kurses der EU-Kommission ohne kritische Analyse der Ziele, Strategien und Maßnahmen vor dem Hintergrund europaweiter Proteste bei den Landwirten gegen zu viel Bürokratie, überzogene Standards und unfaire Wettbewerbsbedingungen sowie für bessere Einkommen. Eine Kursänderung oder eine kritische Analyse der gewählten Strategien zur Erreichung nachvollziehbarer Ziele findet nicht statt.

Debatte um Wolf als Lackmustest
Ein Thema, bei dem die Gemeinsamkeiten zwischen Landwirtschaft und Naturschutz ebenfalls nur für die Überschriften reichen, ist der Wolf. Danach wird stets die herausragende Bedeutung der Weidetierhaltung auch für den Naturschutz bekräftigt, der Schutz der streng geschützten Art Wolf wird aber durch die Bank als höherwertig angesiedelt. Während das Bundesumweltministerium nach mittlerweile einem Jahr seit der Ankündigung eines sogenannten Schnellabschussverfahrens für übergriffige Wölfe immer noch an einer rechtssicheren Ausgestaltung laboriert, kommt endlich auf europäischer Ebene Bewegung in die Debatte um den Wolf. Ein wichtiger Erfolg auch der gemeinsamen Arbeit des DBV mit den Verbänden der Halter von Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden und landwirtschaftlichen Wildtieren sowie den weiteren Landnutzerverbänden, die gemeinsam im Vorlauf der Ratssitzung noch das Bundeskanzleramt aufgefordert haben, den Widerstand der Bundesregierung gegen die Umstufung des Wolfes von streng geschützt auf geschützt aufzugeben. Ob damit eine Veränderung der Wolfspolitik verbunden ist oder aber weiter ausgebremst wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Die Debatte um den Wolf kann hier stellvertretend gesehen werden für eine Vielzahl an drängenden Themen im ländlichen Raum, bei denen der Frust über die Politik der Ampel und die abgehobene, städtische Sicht auf die Dinge groß ist und der Zulauf zu populistischen Parteien genährt wird. Der Wolf kann zum Lackmustest werden, ob die Politik die Botschaft der Wähler verstanden hat oder es sich nur um eine verbale Aufgeschlossenheit bei maximaler Verhaltensstarre handelt.