Als 2016 der Brexit bevorstand, gab es drastische Negativ-Szenarien. Mit dem Brexit entstehe ein Haushaltsloch in der Größenordnung von 10 Prozent und mehr, rechneten Finanzexperten vor. Doch Zahlenspiele sind das eine – Realpolitik läuft anders. Am Ende der Verhandlungen steht ein EU-Agrarhaushalt, in dem die Direktzahlungen zwei Prozent geringer ausfallen als 2020. Die Mittel für die ländliche Entwicklung wachsen um drei Prozent und auch die Mittel für Marktmaßnahmen wachsen an. Unter dem Strich wächst das Budget für die Gemeinsame Agrarpolitik um ein Prozent. Das ist ein Erfolg. Die Landwirtschaft wurde eben nicht zum finanziellen Steinbruch im Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027.
Wie kommt diese Wandlung zustande? Zunächst gibt es im Kreis der 27 EU-Staaten mehr Freunde einer starken EU-Agrarpolitik, als es in der deutschen Debatte erscheint. Das sind vor allem die Länder Ost- und Südeuropas. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist dort in den ländlichen Regionen der wichtigste wirtschafts- und strukturpolitische Anker, den es aus Sicht einer großen Mehrheit der Länder zu erhalten gilt.
Breiter politischer Rückhalt für die GAP
Es gibt ihn also, den breiten politischen Rückhalt für die GAP! Die europäischen Bauernverbände haben unter Führung von Joachim Rukwied als COPA-Präsident und Pekka Pesonen als COPA-Generalsekretär intensiv daran gearbeitet, diesen Rückhalt zu verbreitern und zu stabilisieren. Und so wurden in den Verhandlungen Ende 2019/Anfang 2020 von den Regierungen schrittweise Erhöhungen des GAP-Budgets im Vergleich zum Oettinger-Vorschlag vom Mai 2018 diskutiert.
Es gibt auch kein schrittweises Abschmelzen der ersten Säule in der Zeit bis 2027. Dies wäre angesichts der vielen zusätzlichen Erwartungen an die Umweltleistungen der Landwirtschaft - Stichwort Green Deal - den Landwirten auch nicht vermittelbar gewesen.
EU wirtschaftlich und politisch zusammenhalten
Der wichtige aktuelle Impuls ist die Corona-Krise. Die Staats- und Regierungschefs hatten in vier Tagen und Nächten schlicht Dringenderes zu tun, als noch lange um das „Kleingedruckte“ im Agrarbudget zu feilschen. Denn mit dem neuen Corona-Aufbaufonds von 750 Milliarden Euro soll die Europäische Union in der Krise wirtschaftlich und politisch zusammengehalten werden. Ein weiterer Zerfall der EU hätte auch für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft sehr negative Folgen gehabt.
Erste-Hektare-Förderung stärken statt Kappung und Degression
Die Bundeskanzlerin hat auf den letzten Metern der Verhandlungen noch wichtige Verbesserungen für die deutsche Landwirtschaft erreicht. Dazu gehört die Ersetzung der obligatorischen Kappung der Betriebsprämie durch eine freiwillige Entscheidung der Mitgliedstaaten. Dies hält den Weg frei für eine Lösung, die zur deutschen Agrarstruktur passt. Anstatt Kappung und Degression der Direktzahlungen hält der DBV einen maßvollen Zuschlag für die ersten Hektare weiter für den besseren Weg.
Hervorzuheben sind ebenfalls jeweils 650 Millionen Euro Sondermittel für die Ländliche Entwicklung und für die Strukturförderung in Ostdeutschland. Die ELER-Mittel für Deutschland liegen damit etwa 5 Prozent höher als 2020. Ein kritischer Punkt sind die auf bis zu 42 Prozent deutlich ausgeweiteten Umverteilungsspielräume von der ersten Säule nach der zweiten Säule der GAP. Das EU-Parlament muss dem Finanzrahmen noch zustimmen. Brüsseler Beobachter rechnen aber nicht mehr mit größeren Änderungen.
Weg geöffnet für die weiteren GAP-Entscheidungen
Der Beschluss über den Mehrjährigen Finanzrahmen öffnet auch den Weg für die weiteren Entscheidungen über die GAP-Verordnungen und anschließend die Umsetzung in den nationalen Mitgliedstaaten. Ministerin Klöckner hat sich als EU-Ratsvorsitzende vorgenommen, im Agrarrat bis Oktober zu einer Positionierung zu kommen. Auch im EU-Parlament soll im Oktober abgestimmt werden. Damit könnten Ende 2020/Anfang 2021 die Brüsseler Trilogverhandlungen beginnen. Unklar ist derzeit, ob sich die Biodiversitätsstrategie und die Farm-to-Fork-Strategie auf die GAP-Verordnungen auswirken werden. Die EU-Kommission gibt hier bisher keine klaren Signale.
Direktzahlungen müssen einkommenswirksam bleiben
Der Deutsche Bauernverband stellt sich auf einen „Winter der Entscheidungen“ in der GAP ein. Es geht darum, die Bedingungen in der „neuen Konditionalität“ (bisher Cross Compliance) für die Direktzahlungen so zu setzen, dass diese einkommenswirksam bleiben. Neue Auflagenbürokratie muss hier vermieden werden. Im Agrarministerrat und im Parlament wird intensiv um die Vorgabe für den Anteil „nicht-produktiver Fläche“ gerungen. Ministerin Klöckner drängt auf eine Mindestpflicht für alle EU-Staaten, hat dafür aber bislang keine Mehrheit im Agrarrat gefunden.
Welche Bedeutung sollen die Eco-Schemes bekommen?
Der DBV konnte mit seinem Konzept für eine betriebliche Flächenpauschale bei den Eco-Schemes deutlich machen, was für Landwirte wichtig ist. Das sind vor allem einfache, effektive und wirtschaftlich attraktive Agrarumweltmaßnahmen wie zum Beispiel Brachen, Blüh-, Puffer- und Randstreifen, aber auch Leguminosen und Zwischenfrüchte und für das Grünland u.a. Altgrasstreifen. Außerdem wären Maßnahmen angezeigt, die positive Klimaeffekte bringen.
Wichtig für den Erfolg der Eco-Schemes, die von den Mitgliedstaaten obligatorisch angeboten werden müssen, aber für die Landwirte freiwillig sind, ist auch eine einfache bürokratiearme Überwachungs- und Kontrollmöglichkeit (z.B. per Fernerkundung). Die Diskussionen in den Agrarministerien der Länder und des Bundes werden jetzt geführt – eine gute Zeit für die Bauernverbände in ganz Deutschland, sich hier einzubringen. National brauchen wir einen Kompromiss in der Agrarförderung zwischen Bund und Ländern. Hoffentlich orientieren sich die politischen Akteure dabei vor allem an der Sache und nicht am Bundestagswahlkampf!