Wenn jemand eine Aufgabe neu übernimmt, ist es normal, dass zu Anfang nicht alles rundläuft. Aber nach einer gewissen Zeit sollte sich doch langsam das einstellen, was gemeinhin als Lernkurve bezeichnet wird. Allerdings scheint diese bei einigen Ministerien bemerkenswert flach zu verlaufen, was in den Themenbereichen Pflanzenschutz und Energiepolitik besonders gut deutlich wird. Und als ob das noch nicht reicht, werden auch neue Gräben aufgerissen.
Den Berufsstand konsequent ausgeklammert
So dürfte man eigentlich erwarten, dass das Bundes landwirtschaftsministerium (BMEL) Lehren aus dem krachenden Scheitern der SUR ziehen würde. Leider scheint dies, wenn überhaupt, nur kurz der Fall gewesen zu sein. Beim Thema Glyphosat geht Deutschland jedenfalls wieder einmal einen europäischen Sonderweg. Obwohl es keinerlei wissenschaftlich belegte Gründe dafür gibt, bleibt der Einsatz in Wasserschutzgebieten in Deutschland weiterhin verboten. Und wurde zu Jahresbeginn noch davon gesprochen, dass die zukünftige Strategie beim Pflanzenschutz zusammen mit den Verbänden er arbeitet werden soll, so war davon schon bald nichts mehr zu hören. Daher ist das im Frühjahr vorgestellte Ideenpapier „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz" konsequenterweise nicht mit dem Berufsstand entwickelt worden. Im Kern behält das sogenannte Zukunftsprogramm einen ordnungsrechtlichen Charakter. Wie sehr aus der Zeit gefallen die 50-Prozent-Reduktionsrhetorik ist, belegen übrigens auch die aktuellen Zahlen des JKI. Aus diesen ist klar ersichtlich, dass der Berufs stand das für 2023 ausgerufene Ziel schon heute fast erreicht hat. Werden die vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt, verliert die deutsche Landwirtschaft noch mehr an Wettbewerbsfähigkeit. Dies hat nicht nur drastische Auswirkungen auf die Existenzfähigkeit vieler Betriebe, sondern gefährdet letztendlich auch die nationale Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln.
Ehrlichkeit in der Debatte notwendig
Das übergeordnete Ziel eines Papiers, das den Namen Zu kunftsprogramm ernsthaft verdient, muss aber gerade die Verbesserung der Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln sein. Und der Pflanzenschutz ist hierfür eine not wendige Grundlage. Es braucht daher jetzt Strategien, mit denen die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln (PSM) für alle Formen der Landwirtschaft verbessert werden kann. Dazu gehört, dass endlich ernsthaft geprüft wird, wie die Dauer der Zulassungsverfahren sowohl für chemisch-synthetische als auch für biologische Mittel verkürzt werden kann. Auch sollte dringend überlegt werden, wie über die Züchtung ein Beitrag dazu geleistet werden kann, so selten wie möglich überhaupt Mittel einsetzen zu müssen. Und nicht zuletzt wird die rasante Entwicklung in der Applikationstechnik- Stichwort Spot Spraying- helfen, den Einsatz von PSM noch weiter zu reduzieren, ohne dabei die Wirksamkeit zu mindern. All das bleibt im BMEL Papier leider nur eine Randnotiz oder wird gänzlich aus geblendet. Das ist bedauerlich, denn wenn es zu einer sachlichen und ernsthaften Diskussion über eine Veränderung im Pflanzenschutz kommen soll, dann braucht es vor allem Offenheit und Ehrlichkeit in der Debatte. Die Notwendigkeit und der Nutzen des Pflanzenschutzes für Qualität und Ernten in konventioneller und ökologischer Landwirtschaft müssen wieder im Vordergrund stehen. Oder noch deutlicher gesagt: Der Pflanzenschutz muss endlich raus aus der Schmuddelecke, denn er schützt unsere Nahrungsmittel und damit unsere Existenz!
Verfehlte Kraftwerksstrategie
Aber nicht nur das BMEL scheint nichts dazuzulernen, auch die Kraftwerksstrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) legt diesen Schluss nahe. Diese soll im Rahmen eines Kraftwerkssicherheitsgesetzes umgesetzt werden und zielt darauf ab, insgesamt 10,5 Gigawatt (GW) Kraftwerksleistung neu auszuschreiben - davon 5 GW rein fossil! Maßnahmen zur Nutzung des großen Potenzials von flexiblen Biogasanlagen und Holzheizkraftwerken zur Bereitstellung gesicherter und regelbarer Leistung werden jedoch nicht erwähnt. Während die Bundesregierung also 5 GW an reinen Erdgaskraftwerken plant, werden gleichzeitig mehrere Gigawatt grüner Kraftwerksleistung der Bioenergie aufgrund des Ausschreibungsdesigns des EEG 2023 aufs Spiel gesetzt. Erdgaskraftwerke übrigens, die das benötigte Gas importieren müssen. Der Europäische Rechnungshof hat kürzlich erst vor einer wachsenden Abhängigkeit von importiertem Flüssigerdgas (LNG) gewarnt und die aktuellen Entwicklungen in den USA sollten ein klares Warnsignal sein, hier nicht zu blauäugig zu agieren. Wenn Trump die Wahlen gewinnt, wird das nicht ohne Folgen bleiben. Ohne Not und wider besseres Wissen wird stattdessen hin genommen, dass in den nächsten Jahren sehr viele Bio gasanlagen vom Netz gehen. Die damit entstehende Gefahr für die Energiesicherheit des Landes und die wirtschaftlichen Schäden für die betroffenen Betriebe sind offensichtlich nicht relevant.
Feindbild Anbaubiomasse
Dabei wäre es erstens für das Klima viel besser und zweitens nahezu kostenneutral, bereits bestehende Bioenergieanlagen in eine Anschlussvergütung zu überführen. Flexible Biomasseanlagen konzentrieren ihre Strom- und Wärmeerzeugung auf Zeiten, in denen Wind- und Solarenergie nicht den gesamten Strombedarf decken können. So können durch die Vorteile der verlässlichen und flexiblen Bioenergie eine stabile Stromversorgung gesichert, Netze stabilisiert und insgesamt mehr Gigawatt Kraftwerksleistung realisiert werden. Aber das scheint egal zu sein, denn das Wirtschaftsministerium leistet hier letztlich nur Schützenhilfe für das Umweltministerium (BMUV) in seinem Kampf gegen die „böse" Anbaubiomasse. Die Gleichung ist dabei ganz einfach: Wird der Betrieb von Biogas anlagen unwirtschaftlich, endet endlich die angebliche „Vermaisung" der Landschaft. Aus ackerbaulicher Sicht ist das natürlich Unsinn, nur will das BMUV das partout nicht einsehen. Immerhin ist das Haus von Steffi Lemke offen sichtlich um Gleichberechtigung bemüht: Auch Holz soll im Rahmen der Kaskadennutzung quasi nur noch an deren Ende zur energetischen Verwertung genutzt werden dürfen. Gleichzeitig blamieren sich das BMUV und das ihm unterstellte Umweltbundesamt (UBA) als zuständige Kontrollbehörden, weil bei importierten Biokraftstoffen und den sogenannten „Upstream Emission Reduction"-Projekten im Ausland munter betrogen wird.
Neue Konfliktpotenziale werden geschaffen
Das BMUV ist darüber hinaus darauf erpicht, weitere Konfliktpotenziale zu schaffen. So sieht der aktuelle Entwurf der TA-Lärm eine Reduzierung der Lärmimmissionswerte für dörfliche Wohngebiete um 3 dB(A) vor. Dies scheint auf den ersten Blick gering. Es handelt sich dabei aber faktisch um eine Halbierung der Gesamtlärmimmission. Der Gesetzentwurf hat damit erhebliche negative Folgen für die Bioenergiebranche, aber auch für landwirtschaftliche Betriebe, die in solchen Gebieten liegen. Das ganze Vorhaben konterkariert zudem Bemühungen zum Bürokratieabbau und schafft neue Verwaltungsvorgaben mit Kosten für Unternehmen und letztlich auch Verbraucher. Im Gegensatz zu „Dorfgebieten", in denen den Belangen und Entwicklungsmöglichkeiten von klassischen Vollerwerbsbetrieben der Land- und Forstwirtschaft ein expliziter Vorrang eingeräumt wird, dürften landwirtschaftliche Betriebe oder Energieerzeugungsanlagen im „dörflichen Wohngebiet" benachteiligt werden. Dadurch könnte der Prozess beschleunigt werden, landwirtschaftliche Betriebe noch mehr als bisher aus den Dörfern hinauszudrängen. Dies wiederum kann weder im Sinne des Erhalts dörflicher Strukturen noch im Sinne der Energiewende sein. Es ist höchste Zeit, dass in Politik und Verwaltung endlich verstanden wird, dass man nicht permanent Politik gegen die Betroffenen machen kann. Und darüber hinaus braucht es dringend mehr Pragmatismus und Lösungsorientierung, Eigenschaften also, die den Berufsstand schon seit jeher auszeichnen. Und wir haben (siehe PSM-Reduktionsziele) vorfristig geliefert. Jetzt sind die anderen am Zug!