Die größte Bauerndemonstration der zurückliegenden Jahrzehnte hat viele Landwirte geradezu elektrisiert. Die Bewegung „Land schafft Verbindung“ hat einen Nerv getroffen und einen vollen Erfolg gelandet. Zum ersten Mal seit langem ging die Einigkeit im Berufsstand über Verbands-, Organisations- und Parteigrenzen hinweg und – ebenso wichtig – waren Akzeptanz und Verständnis aufseiten der Bevölkerung groß. Auch die Politik zeigt sich beeindruckt und muss eingestehen, dass die Kritik an Agrarpaketen, Aktionsprogrammen, Auflagen und Bürokratie nicht von den Verbänden inszeniert ist, sondern die Landwirte in der Fläche massiv bewegt.

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Bernhard Krüsken
Generalsekretär Deutscher Bauernverband
Foto: DBV / Breloer

Die Bauernverbände müssen sich die Frage stellen, warum das politische Geschäft an der Basis nicht wahrgenommen wird und vor allem wie die Unterstützung der Bewegung – mit vielen gemeinsamen Mitgliedern und Interessen – weiter erfolgen kann. Die Organisatoren müssen klären, wie dieser Erfolg und dieser Schwung beibehalten werden können und werden das auch für sich selbst tun. Es bleibt zu hoffen, dass die Organisatoren das Gemeinsame der Bewegung in den Vordergrund stellen und die breite Unterstützung durch die Landwirte so bleibt.

Stärke durch Einheitlichkeit und Geschlossenheit

Foto: BBV
(Foto: BBV)

Aus der Betrachterperspektive drängt sich vor allem die Frage auf, ob es weiterhin gelingt, breit, geschlossen und „überverbandlich“ aufzutreten. Gelingt das (aus welchen Gründen auch immer) nicht und die Bewegung wird von außen lediglich als eine weitere landwirtschaftliche Organisation, Vereinigung oder Gruppe wahrgenommen, die sich über interne Abgrenzungen definiert, ist eine historische Chance verpasst und vertan. Wucht und Wirkung von „Land schaft Verbindung“ sind allein aus der Einheitlichkeit und Geschlossenheit unter Landwirten zustande gekommen. Das gilt auch und gerade außerhalb der Agrarpolitik und in Richtung Verbraucher und Gesellschaft.

Dialog und gemeinsame Lösungen unverzichtbar

Schauen wir auf die andere Seite der Debatte. Ein Teil der Bundesregierung stellt sich dieser Diskussion derzeit nicht in wahrnehmbarer Form: das Bundesumweltministerium. Gerade dieses Haus hätte aber allen Grund dazu, bezieht sich doch ein großer Teil des Unmutes der Landwirte auf Auflagen und Verschärfungen aus dem Geschäftsbereich des Umweltressorts. Die Seite der Landwirte hat unmissverständlich klargemacht, dass es ihr um Dialog und um gemeinsame Lösungen geht. Umso unverständlicher ist das Zögern der Bundesumweltministerin. Oder sollte die Sprachlosigkeit doch dem Umstand geschuldet sein, dass es mit der Bereitschaft zum konstruktiven Dialog jenseits der allgemeinen Landwirtschaftskritik nicht weit her ist? Die kommenden Wochen werden die Antwort geben.

Zukunftsperspektiven für den Nachwuchs

Gerade der Nachwuchs braucht Zukunftsperspektive. Dazu gehört eine gute Ausbildung, aber gehören eben auch die richtigen politischen Rahmenbedingungen. Aber wer soll zum Beispiel die politische Auseinandersetzung über gute und nachhaltige Landwirtschaft, über das Aufgabenpensum unseres Sektors und die Bewältigung neuer Herausforderungen fachlich qualifiziert führen? Wer soll sich mit fake news und Zerrbildern über moderne Landwirtschaft, mit Agraresoterik und den Widersprüchlichkeiten und Zielkonflikten gesellschaftlicher Erwartungen auseinandersetzen? Das geht genau wie Landwirtschaft selbst auch nur mit hervorragend ausgebildeten Nachwuchskräften – eine Binsenweisheit, die aber im Tagesgeschäft häufig zu kurz kommt. Die Ausbildung und ihre Inhalte müssen nicht nur mit Produktionstechnik, neuen Technologien und Strukturentwicklungen Schritt halten, sondern auch mit neuen Aufgaben für die Landwirtschaft. Beispiele dafür sind Klima-, Natur- und Artenschutz oder auch Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Politisch hat der Berufsstand Antworten und Lösungen dafür. Dann ist es auch konsequent, solchen Themen und ihrer praktischen (und auch unternehmerischen) Umsetzung mehr Platz im Rahmen der Ausbildung zu geben. Jährlich investiert die deutsche Landwirtschaft einen signifikanten Betrag in diese Technik, um im Wettbewerb Schritt halten zu können. Die Größenordnung ist zwar nicht 1:1 vergleichbar, aber im übertragenen Sinn verdienen Nachwuchsarbeit und Ausbildung die gleiche Wertschätzung.