Stadt – Land – Ost: so lässt sich die politische Landkarte der jeweils stärksten Parteien in Deutschland kurz und einfach aufteilen. Das Ergebnis der Europawahl hat in der Deutlichkeit der Trends manchen überrascht, aber in der Richtung setzt sie eine seit langem sichtbare Entwicklung fort. Zuerst ist die Tragweite des Themas Klimawandel in den Köpfen angekommen. Auch wenn das unter Zuhilfenahme populistischer Aufbereitung, falscher Schuldzuweisungen und grober Vereinfachungen erfolgt sein mag (etwas Panikmache und Doppelmoral wird auch dabei gewesen sein), ist das Problem unbestreitbar, erfordert Lösungen und bewegt zu Recht die Wähler.
Wenn taktische koalitionäre Sachzwänge einer klaren Positionierung im Weg stehen, der Kohleausstieg irgendwann nach 2036 geplant und zudem das Netz nicht als integraler Teil der Kommunikationslandschaft verstanden wird, entsteht schnell das Bild einer begrenzt handlungsfähigen Regierungskoalition, der man die Lösung nicht zutraut und der man die Unterstützung entzieht.
Landwirtschaft ist Teil der Lösung
Für die Landwirtschaft gilt daher: Lösungen und Potenziale, die die Landwirtschaft zum Klimaschutz bieten und heben kann, können und müssen noch deutlicher und sichtbarer in die Klimadiskussion gebracht werden. Ein Anfang ist mit der DBV-Klimastrategie gemacht, aber hier geht noch mehr. Energiebesteuerung auf der Grundlage von CO2-Emissionen wäre konsequent und sinnvoll. Es gilt: Gibt man selbst keine Antworten, dann wachsen welche, und zwar nicht immer die komplexen oder richtigen. Gerade in Sachen Klima ist die Versuchung groß, aus Bequemlichkeit Selbsttäuschung zu betreiben, etwa nach dem Motto: verzichten wir doch auf die Tierhaltung und reden nicht über Mobilität und Konsum. Erneuerbare Energien und Dekarbonisierung sind ohne Land- und Forstwirtschaft nicht zu machen.
Gute Signale für Europa
Eine gute Nachricht wird erst beim Blick auf die Wahlergebnisse über Deutschland hinaus sichtbar: Das Lager der Europaskeptiker ist weniger gewachsen als erwartet, das neue Parlament ist im proeuropäischen Sinn handlungsfähig, wenn auch die Koalitionen nicht so einfach zu finden sind wie vorher. Für den Entscheidungsprozess und den Zeitplan zur neuen GAP ist Hopfen und Malz noch nicht verloren. Entscheidend wird sein, ob man auf den Positionen des früheren Agrarausschusses aufbauen kann.
Naturschutz und Biodiversität sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben
Nicht nur Klimawandel, sondern auch Themen rund um Naturschutz, Biodiversität, Landwirtschaft und Ernährung haben starke emotionale Bindungswirkung und mobilisieren. Daher sind das die Schwerpunkte dieser dbk-Ausgabe. Auch hier kann die Landwirtschaft Antworten liefern und ist bereit, ihren Teil zur Lösung dieses Problems beizutragen. Artenvielfalt in der Agrarlandschaft wächst nicht von selbst, sondern kann nur von Landwirten selbst organisiert werden. Die GAP bietet jetzt schon reichlich Instrumente und Möglichkeiten, solche Maßnahmen zu unterstützen – und zu finanzieren, ohne das geht es nicht; das ist bei offenen Märkten unverzichtbarer Teil der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Mit seinen Biodiversitätsprojekten zeigt der DBV, wie es geht. Mehr Information und Kommunikation zu solchen Maßnahmen sind gefordert, genauso wie zu Projekten in der Fläche.
Landwirtschaft ist Teil der Gesellschaft
Die Spaltung zwischen Stadt und Land drückt sich politisch aus, ist aber auch kognitiver und informatorischer Art, mit anderen Worten: Das Informationsgefälle, dass die Agrarbranche seit Jahren beklagt, wächst ungebremst und verfestigt sich. Die kommunikativen Bordmittel landwirtschaftlicher Organisationen und die häufig analog angelegte Graswurzelkommunikation innerhalb der Branche oder innerhalb der ländlichen Räume sind richtig und wichtig, aber definitiv an Grenzen gestoßen. Neue Lösungen und größere Würfe sind gefragt, mit denen man wirklich etwas in der Stadt-Land-Kommunikation bewegt.
„Veränderung gestalten“ geht weiter
Veränderung gestalten – diese Maxime hat sich der DBV seit 2015 gegeben und einige neue Impulse in der agrarpolitischen Diskussion gesetzt. Dabei geht es nicht darum, jeder aktuellen Empörungswelle hinterherzulaufen, sondern offensiv eigene Themen zu setzen und Lösungen zu präsentieren, die solide und durchdacht sind und die Landwirten und Verbrauchern gleichermaßen nützen. Defensive schießt keine Tore, deshalb müssen wir diesen Prozess weiterführen. Die Gestaltungskraft ist medial und politisch umso größer, je mehr der Sektor zeigen kann, dass Defizite abgestellt werden bzw. daran gearbeitet wird. Last but not least gehört natürlich auch Veränderungsbereitschaft dazu, aber das ist bekanntlich bäuerliche Kernkompetenz, wenn es dabei unternehmerisch nach vorn geht.
Deutscher Bauerntag: „Wandel braucht Verlässlichkeit“
Politische Verlässlichkeit und gute Rahmenbedingungen sind eine wichtige Voraussetzung, damit Wandel und Veränderung stattfinden können, ohne dass Zukunftsfähigkeit verloren geht. Das spiegelt sich auch im Motto des diesjährigen Deutschen Bauerntags – Wandel braucht Verlässlichkeit - wider. Damit wollen wir auch die in den Foren gesetzten Schwerpunkte angehen: Naturschutz, Tierhaltung und Zukunftsfähigkeit. Bei allen Themen findet sich ein Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Anforderungen und ökonomischer Perspektive, die es aufzulösen gilt. Dafür soll der Bauerntag Lösungen und Ansätze liefern.
Naturschutz braucht Dialog statt Agitation und Propaganda
Aus aktuellem Anlass sei hier noch die Zahl des Monats erwähnt: 256 Millionen Euro. Das ist die Summe, mit der die Bundesregierung zwischen 2014 und 2018 diverse Projekte prominenter Umweltorganisationen gefördert hat. In einigen Fällen entsprechen diese Zuwendungen in etwa dem Volumen des jeweiligen Spendenaufkommens, der Staat verdoppelt sozusagen die Einnahmen. Sicherlich alles für den guten Zweck und Projekte im Sinne des Naturschutzes und auch haushaltsrechtlich nicht zu beanstanden. Problematisch und geradezu anrüchig wird es dann, wenn diese Organisationen, bei denen auch eine personelle Vernetzung mit den finanzierenden Teilen der Bundesregierung bestehen, beispielsweise den DBV als Lobbyvereinigung mit weitreichenden Vernetzungen zu dämonisieren versuchen. Das ist nicht nur unehrlich und schlechter Stil, sondern Zeugnis einer auf Agitation und schlechter Propaganda beruhenden Organisationskultur, die Dialogfähigkeit vermissen lässt. Der Naturschutz hat das jedenfalls nicht verdient – die Politik sollte sich davon auch nicht beeindrucken lassen.