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Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Foto: Breloer/DBV

Ein halbes Jahr nach den Bauernprotesten tut sich die Bundesregierung immer noch schwer, die abgegebenen Zusagen zur Entlastung der Landwirtschaft vollständig einzulösen. Festzuhalten bleibt, dass es einige Entlastungen gab, darunter den Erhalt der Kfz-Steuerbefreiung für lof-Fahrzeuge, die Fortführung der einkommenssteuerlichen Tarifglättung, Flexibilisierung und Entbürokratisierung bei den Konditionalitätsregeln in der GAP.

Viele Lippenbekenntnisse
Keine Bewegung ist hingegen in Sicht beim erneuerbaren Agrardiesel, bei der Verbesserung der Risikovorsorge und auch bei dem einen Thema, das eigentlich von allen Parteien und Akteuren gleichermaßen als notwendig eingeordnet wurde und wird: dem Bürokratieabbau. Das sprichwörtliche Glas ist also erst halbvoll. Die politische Rhetorik bleibt schwammig, es wird etwas taktiert und Verantwortlichkeiten werden hin und her geschoben. So zuletzt in Richtung Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), die eigentlich andere Aufgaben hat, als der Bundesregierung aus tagespolitischer Verlegenheit und handwerklichen Defiziten herauszuhelfen. Die Empfehlungen der ZKL – ausgearbeitet „vor dem Krieg“ – sind bekanntlich von der Bundesregierung nicht wirklich umgesetzt worden, schon gar nicht mit dem erforderlichen konzeptionellen Zusammenspiel von Einzelmaßnahmen. Allein dieser Umstand macht es unglaubwürdig, wenn das Warten auf die ZKL seitens der Ampelkoalition als Ausflucht für politischen und gesetzgeberischen Stillstand herangezogen wird.

Agrardiesel-Entscheidung war transformationspolitische Bankrotterklärung
In Anbetracht der nicht nur durch die Zeitenwende veränderten Rahmenbedingungen ist es nicht überraschend, dass auch innerhalb der ZKL die Diskussionen schwieriger geworden sind. Belastend sind unter anderem nachträgliche Umdeutungen, tagespolitische Zweckentfremdung von Teilen der Empfehlungen oder das Herausgreifen von Satzteilen als Rechtfertigung für ordnungsrechtliche Verschärfungen (die eigentlich nicht ZKL-kompatibel sind). Ein Blick auf die Gesetzgebungsvorhaben der zurückliegenden Monate zeigt einen krassen Gegensatz zwischen der politischen Sonntagsrede und tatsächlichem gesetzgeberischen Handeln: Schon die Agrardiesel-Entscheidung war eine transformationspolitische Bankrotterklärung. Tierschutzgesetz, Pflanzenschutz-Strategie, Umsatzsteuerpauschalierung, Entwaldungs-VO – alles reines Ordnungsrecht im nationalen Alleingang oder Bürokratieaufbau.

Vertrauensverlust stoppen
Kein Wunder, dass das Vertrauen in Aushandlungsprozesse wie die ZKL massiv gelitten hat. Wesentliche Grundlagen der ZKL-Arbeit sind die Prinzipien der Kooperation mit der Landwirtschaft, der wirtschaftlichen Tragfähigkeit und der Vermeidung von Produktionsverlagerungen. Wird das in Frage gestellt, macht die Fortführung der ZKL keinen Sinn mehr und die einmalige Chance für einen zukunftsfähigen gesellschaftlichen Konsens wäre vertan.

Bauernproteste waren mehr als berechtigt
Aber zurück zur Bestandsaufnahme in Sachen Bauernproteste. Auch im Rückblick bleibt die Einschätzung, dass die Aktionen notwendig, überfällig, sinnvoll und erfolgreich waren. Die beispiellose Mobilisierung hat ein bis dato unerreichtes politisches, mediales und gesellschaftliches Echo hervorgerufen, das weit über diese Wochen und Monate hinausreicht. Zusätzlich zu den eingangs genannten konkreten Ergebnissen sind noch die Zusagen zu zählen, die wie gesagt noch einzulösen sind. Vor allem aber waren diese Proteste Teil und Antrieb einer notwendigen Korrektur der Themen, Prioritäten und Richtung der politischen Debatte in Deutschland und Europa. Diese Korrektur hat begonnen mit den Lehren aus Corona und aus dem russischen Angriffskrieg bzw. seinen geo- und sicherheitspolitischen Konsequenzen und hat sich fortgesetzt bei der Reaktion auf die strukturelle Wachstumsschwäche Deutschlands und der Sorge nicht nur um Wohlstand, sondern vor allem auch um die Finanzierbarkeit von Transformationsfantasien.

Heimische Landwirtschaft braucht Wachstumsimpulse
Die Korrektur reicht bis Europa und bis zur neuen Zusammensetzung des Europäischen Parlaments, in der sich die Einsicht spiegelt, dass sich Europa mit der bisherigen Umsetzung des Green Deal im globalen Konzert ein Stück weit zum wirtschaftspolitischen Geisterfahrer gemacht hat. Für einige Akteure und ihre Programmatik war diese Korrektur oder besser dieser harte Realitätskontakt sicherlich schmerzlich. Trotzdem darf das kein Anlass sein, diese Korrektur als „Rechtsruck“ zu delegitimieren. Antieuropäer, Antidemokraten und Extremisten braucht keiner in Europa, aber diese Gruppen sind nicht der Dreh- und Angelpunkt dieser Korrektur. Es muss nun darum gehen, nachzusteuern, den Green Deal neu zu justieren, die fehlerhaften Ansätze aus der auslaufenden Mandatsperiode zurückzunehmen und nachhaltige Wachstumsimpulse auch für die heimische Landwirtschaft zu geben – nicht zuletzt, um die nach wie vor notwendigen Klima-, Biodiversitäts- oder Nachhaltigkeitsziele überhaupt umsetzen zu können.

Einigkeit im Berufsstand ist Erfolgsfaktor der Bauernproteste
Das ist auch das zentrale Thema des anstehenden Deutschen Bauerntages. Das Motto „Gemeinsam stark – für die Landwirtschaft“ greift den eigentlichen Erfolgsfaktor der Bauernproteste auf, nämlich die Einigkeit im landwirtschaftlichen Berufsstand. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die wichtigsten Voraussetzungen für Veränderung, Weiterentwicklung und mehr Nachhaltigkeit in den Vordergrund zu rücken. Das sind Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit, denn ohne leistungsfähige und motivierte Betriebe bleibt die „Transformation“ eine hohle Phrase. In den Foren geht es um Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau sowie um die Frage, ob für mehr Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz noch tragfähige und kooperative Modelle gefunden werden können. Auch für den ZukunftsBauer gibt es ein eigenes Forum, um einen Statusbericht und einen Überblick über die bisher angelaufenen Projekte der Landes- und Kreisverbände zu geben und Erfahrungen daraus aufzubereiten. Wenn dem einen oder anderen das Projekt in der Zeit der Bauernproteste aus dem Blick geraten sein sollte, dann beruht das auf einem Missverständnis. Gerade der ZukunftsBauer sollte für seine Belange eintreten und auf die Straße gehen, wenn es erforderlich ist – entschieden, aber konstruktiv und nach demokratischen Spielregeln. Das haben wir alle gemeinsam erfolgreich umgesetzt.