Autor
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Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Breloer/DBV

Aus den Spitzen der Ampelparteien war kürzlich zu hören, dass wir es ja nur mit einer Übergangsregierung zu tun hätten. Eine so kraftvolle Abmoderation des früher mal ausgerufenen „Fortschritt wagen“ hätte man vielleicht eher der Opposition zugerechnet. Aber sei’s drum, jedenfalls spricht das nicht für Kontinuität, stabiles Regieren oder Handlungsfähigkeit. Die wiederholten Inszenierungen von Haushaltskompromissen, die sich bei näherem Hinsehen als relativ grobe und unkonkrete Absprachen entpuppen, bestätigen diesen Eindruck. Gestalten geht anders und die vielbeschworene Transformation geht schief oder findet in unguter Weise, jedenfalls anders als geplant, statt.

Bürokratieabbau nicht in Sicht
Diejenigen Projekte, die diese Koalition aus eigenem Antrieb angepackt hat oder noch anpacken will, sind mit neuen Auflagen oder neuer Bürokratie verbunden. Selbst ein wichtiges Vorhaben wie die Tierhaltungskennzeichnung droht deswegen zum Rohrkrepierer zu werden. Die Erleichterungen bei der GAP waren Brüsseler Vorgaben und Optionen; selbst deren schlichte Umsetzung erforderte aufwendige Diskussionen. Ernsthafte Bewegung beim Bürokratieabbau ist ebenfalls nicht in Sicht. Nach den rhetorischen Bekundungen, die im Anschluss an die Bauernproteste abgegeben worden waren, ist außer einer detaillierten Bestandsaufnahme dessen, was alles nicht geht, kein Handeln in Sicht. Der häufig gegebene Hinweis, dass die Vorgängerregierungen vieles offen gelassen haben, ist zwar in der Sache richtig, kann aber nicht ernsthaft als Ausflucht für die eigene Untätigkeit herhalten, vor allem dann nicht, wenn die bisherige Bilanz dieser Koalition in Sachen Landwirtschaft dünn ausfällt. Der Zyniker ist versucht zu sagen: Nicht regieren ist doch gar nicht so schlecht für die Wirtschaft. Ein Jahr ohne neue Auflagen, Verordnungen, Gesetze, nationale Alleingänge und ohne neue Bürokratie – das ist ja immerhin besser als bisher und wäre schon einmal ein Anfang.

Nur wer es ernst meint, findet einen Weg
Theoretisch gibt es aber noch die Chance für eine Flucht nach vorn in Sachen Bürokratieabbau. Vorschläge hat die Landwirtschaft genug vorgelegt; eine erste Gelegenheit wäre das Düngegesetz, das nun im Vermittlungsausschuss weiterverhandelt wird: Beschränkung des Gesetzes auf das wirklich von der EU-Kommission vorgegebene Monitoring und anschließend Streichung der Stoffstrombilanz-Verordnung in Verbindung mit einer Überarbeitung der Düngeverordnung selbst in Richtung Verursachergerechtigkeit. Dann könnte man zum Beispiel eine definitiv sinnlose Registerbürokratie rund um entwaldungsfreie Lieferketten komplett einsparen, wenn man sich eingesteht, dass Deutschland kein ernsthaftes Entwaldungsgeschehen hat, und mit Hinweis auf INVEKOS und HI-Tier die dort bereits gelisteten deutschen Landwirte aus der zusätzlichen Registrierungs- und Dokumentationspflicht entlässt. Wer es ernst meint mit Bürokratieabbau, dem stehen diese Wege offen – man muss nur wirklich wollen.

Anlass zur Sorge
Neben der politischen ist auch die tatsächliche Erntebilanz (Schwerpunktthema in dieser dbk) wenig zufriedenstellend ausgefallen. Die Zahlen müssen hier nicht wiederholt werden, aber der dahinterstehende Langfristtrend sollte schon Anlass zur Sorge geben. Bei den Getreide-Hektarerträgen ist im zurückliegenden Jahrzehnt eine Erosion unübersehbar, die die 10%-Marke deutlich übersteigt. Die Ursachen liegen zu einem signifikanten Teil beim Klimawandel bzw. der Zunahme von Extremwettersituationen, die in mehrfacher Hinsicht die Entwicklung der Bestände belasten. Es gibt aber ebenfalls signifikante gesetzgeberische Faktoren, die dazu beitragen: Beschränkungen bei der Düngung und eine restriktive Pflanzenschutzpolitik, die z. B. die Palette verfügbarer Wirkstoffe einschränkt, das Resistenzmanagement und letztlich den Umgang mit den Herausforderungen eines erhöhten Befallsdruckes und neuer Schadorganismen deutlich erschwert – im ökologischen und im klassischen Landbau.

Sinkende Proteingehalte: Düngeverordnung zeigt Wirkung
Beim Langfristvergleich der Proteingehalte im Weizen sind die Bremsspuren der Düngeverordnung nicht zu übersehen, auch wenn für 2024 noch keine repräsentativen Zahlen vorliegen. Berichte aus der Praxis bestätigen aber den Befund, der aus Sicht der Landwirtschaft (leider) vorhersehbar war. Maßgeblicher Grund dürfte die gesetzlich erzwungene Unterversorgung der Pflanzenbestände in den so genannten roten Gebieten sein – jedes Jahr 20 % zu wenig Nährstoff führen bekanntlich zu fortschreitendem Ertragsverlust und Humusabbau.

Neue Herausforderungen brauchen anderen Politikstil
Als Fazit bleibt, dass Klimafolgenmanagement und Klimaanpassung zukünftig einen mindestens gleich hohen Stellenwert haben müssen wie der Klimaschutz selbst. Die gesetzgeberischen Rahmenbedingungen müssen so verändert werden, dass die Landwirtschaft besser und flexibler auf die veränderten Herausforderungen und Risiken insbesondere aus den häufigen Extremwetterereignissen reagieren kann. Das betrifft den Pflanzenschutz, die Pflanzenzüchtung, die Düngung, letztlich auch die Detailregelungen in der GAP, aber auch das wirtschaftliche Risikomanagement in Form von Extremwetterversicherungen und steuerlich begünstigter Krisen- und Risikovorsorge. Das wäre ein deutlich anderer Politikstil als unsere jetzige Mischung aus Verboten, neuen Auflagen und mehr Bürokratie – aber im Gegensatz dazu eine echte und im besten Sinne nachhaltige Transformationshilfe.