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Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes

Ländliche Räume sind Lebens- und Arbeitsraum und unterschätzter Wirtschaftsfaktor. Hier wird das erzeugt, was unsere Industriegesellschaft zum Funktionieren benötigt. Dazu zählen nicht nur Lebensmittel, Rohstoffe, Mobilität, Logistik und Energie, sondern auch Kulturlandschaften, Biodiversität, Klimaschutz, das Lebensgefühl des vermeintlichen Landlebens, Projektionsflächen für urbane Sehnsüchte sowie Befindlichkeiten und last, but not least auch gesellschaftliche Stabilität. Letzteres wird zunehmend herausfordernder, weil viele aktuelle politische Kontroversen sich entlang der gefühlten Trennlinie zwischen Stadt und Land darstellen lassen: Landnutzung und Eigentum, Mobilität, Holzheizung, Ernährung, Wölfe und Weidetiere, um nur einige plakative Beispiele zu nennen. Wer ernsthaft etwas gegen die allseits beklagte Polarisierung der Gesellschaft und gegen die Erosion an den Rändern des politischen Spektrums tun will, sollte diese Stabilität aktiv unterstützen und darf den ländlichen Raum in Sachen Förderung nicht zurücklassen.

Kontraproduktive GAK-Kürzungen
Natürlich gibt es DEN ländlichen Raum nicht, die strukturelle und wirtschaftliche Vielfalt ist groß. Die Beschreibungen reichen von der prosperierenden Wachstumsregion bis zur demographischen und wirtschaftlichen Problemzone. Aber gerade wegen dieser Unterschiedlichkeit der Lebensverhältnisse ist eine Förderung und Unterstützung für die ländlichen Räume weiterhin geboten, die bis her zu wesentlichen Teilen über die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) bereitgestellt worden ist. Die massive Kritik aus der Landwirtschaft und den Bundesländern an den jüngst von der Bundesregierung vorgenommenen Kürzungen der GAK muss hier nicht wiederholt werden. Der Vollständigkeit halber muss man aber festhalten, dass diese Kürzungen nicht die ganze Wahrheit sind. Bereits die vor über einem Jahr öffentlich ausgelobte neue Tierwohlförderung ist faktisch durch Umschichtungen zu Lasten der übrigen GAK-Förderbereiche finanziert worden, aus Sicht der Landwirtschaft weniger als ein Nullsummenspiel. Hingegen ist ein Kritikpunkt am bisherigen Modell durchaus berechtigt: Die GAK-Mittel werden von den einzelnen Bundesländern in höchstunterschiedlichem Umfang genutzt und abgerufen. Entsprechend sind die Überhänge groß, auch wenn in der Fläche der Förderbedarf bei weitem nicht abgedeckt ist. Trotzdem kann es nicht sein, dass administrative oder kreative Schwerfälligkeiten einzelner Akteure im Ergebnis zu Kürzungen führen, unter denen alle leiden. Ein Aus weg könnte darin bestehen, vom heiligen Proporz zwischen den Ländern abzuweichen und den kreativen und effizienter arbeitenden Zugriff auf Mittel zuzugestehen, die nach einer angemessenen Frist noch nicht abgerufen sind. Ein wenig Wettbewerb kann in solchen Situationen helfen und beflügeln. Es bleibt zu hoffen, dass nach dem in dieser Hinsicht verlorenen Haushaltsjahr 2024 doch noch das Umsteuern gelingt.

Nach der Reform ist vor der Reform
Und ein weiteres Politikfeld darf das Thema ländliche Räume nicht ausblenden: die Gemeinsame Agrarpolitik. Während die Landwirte, Verbände und Verwaltung noch über die Mängel der aktuellen „grünen Architektur“ und dringend notwendige Kurskorrekturen streiten, läuft die Diskussion über die nächste Förderperiode nach 2027 an. Der DBV hat seine Vorschläge dazu auf der Grundlage der Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) entwickelt, aber an einigen Stellen ergänzt. Schließlich zeigen die jüngsten und aktuellen Krisen, dass geo- und sicherheitspolitische Herausforderungen und die Gefahren für die Stabilität von Lieferketten und Nahrungsmittelversorgung dramatisch gewachsen sind. Dies muss in der zukünftigen GAP stärker mitgedacht und berücksichtigt werden. Die oben genannte Sorge um die zunehmende politische und gesellschaftliche Polarisierung, die sich auch in den ländlichen Räumen zeigt, erfordert darüber hinaus, die Strukturpolitik für den ländlichen Raum im Zielkatalog der zukünftigen GAP zu behalten. Daraus ergibt sich, dass mit dem zukünftigen Instrumentarium folgende Förderbereiche angemessen adressiert werden müssen:

  • Umwelt- und Klimaschutz sowie entsprechende gesellschaftliche Leistungen, für die eine wirtschaftlich attraktive Bezahlung bereitgestellt werden muss; dies bedeutet, dass Agrarumweltmaßnahmen und vergleichbare Instrumente deutlich attraktiver als bisher ausgestaltet werden müssen.
  • Wettbewerbsfähigkeit und Risikomanagement in der landwirtschaftlichen Erzeugung; das schließt Innovations- und Junglandwirteförderung mit ein. 
  • Ländliche Entwicklung und Agrarstruktur, auch im Sinne einer Begleitung und Flankierung von Transformation und Weiterentwicklung; selbst diejenigen, die die GAP ausschließlich auf Klima- und Naturschutz ausrichten wollen, müssen zugestehen, dass Transformation und Weiterentwicklung auf Akzeptanz und Begleitung angewiesen sind. Deshalb gehört die Stärkung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und demokratischer Stabilität im ländlichen Raum zwingend zum Zielkatalog der zukünftigen GAP.

Dringend entbürokratisieren
Entbürokratisierung ist wie bei jeder Reform ein frommer Wunsch: Wie es mit dem Zwei-Säulen-Modell weitergeht, werden die europäischen Mehrheiten entscheiden. Die Arbeitsteilung zwischen den beiden EU-Förderfonds wird und muss erhalten bleiben und angesichts des Aufgabenumfangs auch durch zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten aus anderen Quellen ergänzt werden. Für die nationale administrative Umsetzung gilt aber: Das bisherige System ist mit dem bürokratischen Übermaß sozusagen am Anschlag und für Landwirte und Verwaltungen kaum mehr zu leisten. Folgt man den ZKL-Empfehlungen (zur Fokussierung der Förderung auf betriebswirtschaftlich attraktive Honorierung von gesellschaftlich gewünschten Leistungen), sind im Gegenzug zur Umschichtung der Basisprämien die Vorgaben zur Konditionalität einschließlich der sog. GLÖZ-Anforderungen und der damit verbundenen Bürokratie ersatzlos zu streichen. Genauer gesagt: Die Gleichung kann nur aufgehen, wenn die Konditionalität wegfällt. Unabhängig davon muss das zukünftige Förderkonzept eine flächendeckende und wettbewerbsfähige Landwirtschaft gewährleisten.