Autor
Hubert God
Referent für Struktur und Umwelt beim Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband e.V.

Können Sie sich noch an die Zusage von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck im Februar erinnern, dass die Erhöhung von EEG-Sätzen des Osterpaketes rückwirkend gelten werden? Niemand brauche mit der Inbetriebnahme seiner neuen Photovoltaik-(PV-)Anlage abzuwarten, versprach Habeck. Wer sich auf das Versprechen verlassen hatte, wurde bereits Ende Juli jäh enttäuscht.

Die Einspeisesätze für neue PV-Dachanlagen stiegen erst am 30. Juli. Die Koalitionäre hätten die versprochene Rückwirkung halt nicht mitgetragen, ließ das Bundeswirtschaftsministerium auf Nachfrage wissen. In der Zwischenzeit hat die Bundesregierung angekündigt, in den Markt eingreifen zu wollen zur Entlastung der Bürger und der Wirtschaft von den exorbitant gestiegenen Gas- und Strompreisen. In den Medien war davon die Rede, dass „Übergewinne“ der großen internationalen Mineralölkonzerne und der Kohle- und Kernkraftindustrie mit Milliardengewinnen abgeschöpft werden sollten. Die EU hat sich rasch demselben Ziel des Abschöpfens verschrieben.

Der Gesetzesvorschlag zur Strompreisbremse aus dem Hause Habeck will nun vor allem den heimischen EEG-Anlagenbetreibern einen Teil des am Spotmarkt erlösten Stromgeldes wegnehmen. Es geht um 90 Prozent der angeblich unerwartet „zugefallenen“ Zahlungen, die um mehr als drei Cent über die gesetzlichen Einspeisesätze beziehungsweise den anzulegenden Wert hinausgehen. Dies rückwirkend ab 1. März machen zu wollen, ist mehr als dreist. Juristen halten das für verfassungswidrig. Und Biogasbetriebe überlegen bereits, die Gaserzeugung schnell herunterzufahren, wenn der Strompreis auf 18 Cent je Kilowattstunde gedeckelt werden sollte.

Jeder vierte Hausbesitzer will in PV investieren. Mit einem Boom kleiner Eigenverbrauchsanlagen, der den Handwerkermarkt absorbiert, ist der Wandel aber nicht zu schaffen. Gleichsam nach dem römischen Prinzip „Brot und Spiele“ werden für Elektroautos und kleine PV-Anlagen, die sonst völlig unwirtschaftlich wären, generöse Geldgeschenke gemacht in Form von Steuerbefreiungen und Eigenverbrauchsprivilegien. Kaum hat das neue EEG gigantische Ausbauziele für die Erneuerbaren postuliert, muss man ernüchtert feststellen, dass die Regierung mit der „Strompreisbremse“ vor allem bei den Betreibern mittlerer und großer EEG-Anlagen sehr viel Geld herausfordern will. Ausgerechnet!

Der Strommarkt ist weiterhin auf große und mittelgroße Akteure der Solar-, Wind- und Biogasbranche dringend angewiesen. Ob diese Akteure in den nächsten Jahren weiter investieren wollen in neue Anlagen, ist eine Frage des Geldes, der Standards und vor allem des Vertrauens. Eine Inflationsrate von zehn Prozent lässt den Wert von 20-jährigen gesetzlichen Einspeisevergütungen wegschmelzen wie warmer Regen den Schnee. Das Belassen üppiger Gewinne würde Investoren helfen, hochschnellende Investitionskosten, Zinsen und Standards wegzustecken. Die Bundesregierung sollte das Zukunftsvertrauen der Erneuerbare-Energien-Branche nicht erschüttern. Die Koalitionäre sollten auch jetzt die Rückwirkung nicht mittragen.

Dieser Kommentar wurde ursprünglich in der Badischen Bauern Zeitung (Nr. 43, 29. Oktober 2022) veröffentlicht