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Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Foto: Breloer / DBV

Nun steht der Koalitionsvertrag von Union und SPD, mit reichlich Text, vielen generischen Absichtsbekundungen und mindestens genauso vielen Mehrdeutigkeiten und Hintertüren in der Formulierung. Zu kleines Karo oder großer Wurf – so weit liegen die Bewertungen auseinander. Nicht zu übersehen ist aber, dass der grundlegende Politikwechsel ausgeblieben ist. Die Verhandler sind im Morast des Status quo steckengeblieben und scheinen ein gutes Stück weit vor den regulatorischen und politischen Altlastender vergangenen Legislaturperioden kapituliert zu haben.

Letzter Weckruf aus der Wirtschaft

Nahezu alle relevanten Wirtschaftsverbände, darunter natürlich auch der DBV, hatten sich vorab nochmal in einem gemeinsamen Aufruf zusammengefunden, um die Koalitionäre daran zu erinnern, dass die drängenden Herausforderungen für Wirtschaft, Wohlstand und Sicherheit nicht mit einer etwas abgespeckten Fortführung der Ampel-Politik bewältigt werden können. Das vielleicht drängendste Problem für den Standort Deutschland – Überregulierung und Bürokratie – wird in den Verhandlungspapieren nebenbei abgehandelt; ein wohlfeiles allgemeines Bekenntnis zum Bürokratieabbau wird im Detail gleich wieder konterkariert. Am Geld sollte es nach kaufmännischem Ermessen nicht liegen, der Staat konnte schon vorher Rekordeinnahmen verbuchen und hat sich für Verteidigung und Infrastruktur bekanntlich reichlich Luft verschafft. Allerdings müssten die sprichwörtlichen Billionen ohne strukturelle Reformen und ohne Abbau von Überregulierung durch ein hochgradig ineffizientes System laufen, was deren Wirksamkeit zu einem guten Teil neutralisieren dürfte.

Mindestlohn drängt deutschen Obst-, Gemüse- und Weinbau aus dem Markt

Für die Land- und Ernährungswirtschaft sieht es zunächst nach einer Mischung von Belastungen und Erleichterungen aus. Größte Herausforderung bleibt der Mindestlohn, der den Obst-, Gemüse- und Weinbau in Deutschland direkt aus der Wettbewerbsfähigkeit und aus dem Markt drängt. Bei Tierhaltung und Pflanzenschutz fehlt das notwendige Bekenntnis zu Regelungen auf europäischem Standard. Letzteres gibt es allerdings bei der Agrardiesel- Besteuerung, hier kommen wir mit der Wiedereinführung der früheren Regelung ein gutes Stück weit in Richtung eines europäischen Durchschnittswertes. Auch auf der positiven Seite findet sich die Absicht, Investitionen in die Tierhaltung mit Bestandsschutz und damit Planungssicherheit auszustatten – man darf auf die Umsetzung gespannt sein.

Ressortaufteilung Umwelt und Agrar darf nicht Konfliktfeld bleiben

Eine wirklich bittere Pille findet sich in der Umweltpolitik: Es droht eine Fortsetzung der institutionellen Rivalität von Umwelt- und Agrarressort. Es bleibt zu hoffen, dass die Umweltpolitik sich anders als bisher eben nicht als faktische Anti-Agrarpolitik ausbuchstabiert. Fatal, übergriffig und eigentumsrechtlich fragwürdig ist das Vorhaben, Flächenbeschaffung für den Naturschutz (wie sonst als zu Lasten der Landwirtschaft) gesetzlich zu untermauern und zu legitimieren. Das muss als Kampfansage an alle Landnutzer verstanden werden.

Politikwechsel geht anders

Der Blick auf das gesamte Gefüge erlaubt aber schon ein Fazit: Politikwechsel geht anders, Drehen an kleinen Schrauben reicht nicht. Man sollte zwar nicht sofort den Vergleich zum lähmenden Stillstand der zurückliegenden GroKo (Sie erinnern sich sicher an die Zeit vor der Ampel?) ziehen, aber die Erkenntnis, dass ein bisschen Bewegung eben nicht ausreicht, hatten eigentlich die meisten politischen Akteure vor der Wahl für sich entdeckt. Umso ernüchternder ist der Blick auf das Verhandlungsergebnis. Die jüngste Eskalation der US-amerikanischen handelspolitischen Amokfahrt zeigt ein weiteres Mal, wie fundamental sich die Außenwelt verändert hat und wie groß die Notwendigkeit für ein Umsteuern ist. Jetzt gilt es, die Spielräume in den Formulierungen zu nutzen, die gesetzgeberischen Mühen der Ebene nicht zu scheuen und so viel Wechsel und regulatorische Entrümpelung wie möglich umzusetzen.

Europa bewegt sich – aber beim Mehrjährigen Finanzrahmen in die falsche Richtung

Selbst das überaus regulierungsfreudige Europa ist weiter, wenn auch nur ein Stück. Korrektur und zaghafter Rückbau der gesetzgeberischen Fehlentwicklungen rund um den Green Deal geht die EU-Kommission an, beschränkt sich aber in den so genannten Omnibus-Verfahren zunächst auf Aufschub besonders strittiger Rechtsakte. Aber dabei soll es nicht bleiben; hier ist immerhin ein leichter Richtungswechsel erkennbar. Während auf Seiten von Regulierung und Bürokratie an kleineren Schrauben gedreht wird, zeichnet sich bei der Finanzierung zentraler europäischer Politikbereiche bzw. beim Mehrjährigen Finanzrahmen eine weitaus grundsätzlichere Debatte ab. Die gedanklichen Sandkastenspiele um ein Single-Fund-Modell wurden anfangs als ein taktischer Versuchsballon der EU-Kommission wahrgenommen, sind aber immer noch nicht aus der Diskussion verschwunden. Vereinfacht gesagt läuft das darauf hinaus, keine separaten Budgets für einzelne Politikbereiche vorzugeben, sondern den Mitgliedstaaten die Gestaltung von Ausgabenplänen weitgehend zu überlassen, wobei allerdings ein europäischer Genehmigungsvorbehalt gelten soll. Das wäre der Ausstieg aus dem grundlegenden Anspruch der EU, in den europäisch geregelten Politikfeldern halbwegs einheitliche Bedingungen herzustellen. Für die GAP, die Regional- und Strukturförderung würde der Weg in die nationale Beliebigkeit fortgesetzt – aus Sicht der Landwirtschaft nicht akzeptabel.

GAP braucht dringend Vereinfachung, Verschlankung und Entbürokratisierung

Die Debatte über die nächste GAP – Schwerpunktthema dieser Ausgabe – bleibt indes in Gang und muss sich auch den neuen Herausforderungen stellen. Priorität für Versorgungssicherheit, stabile und sichere Lieferketten sowie Wettbewerbsfähigkeit müssen im Zielkatalog und in der Ausgestaltung stärker gewichtet werden. Mehr Gewicht auf die Honorierung gesellschaftlich und politisch gewünschter Leistungen (so wie von der Zukunftskommission Landwirtschaft formuliert) kann gelingen, wenn dies betriebswirtschaftlich attraktiv gestaltet und von den bürokratischen Zumutungen der Konditionalität und des ausufernden Anlastungswesens befreit wird. Klar muss außerdem sein, dass „Bedürftigkeit“ (wie vom Strategischen Dialog vorgeschlagen) keine sinnvolle Kategorie für die Agrarförderung sein kann, vor allem, wenn es um die Honorierung von Leistungen geht. Der Schlüssel für eine gelingende Weiterentwicklung der GAP bleibt jedoch Vereinfachung, Verschlankung und Entbürokratisierung. Das gilt übrigens nicht erst nach 2027, sondern bereits jetzt, wie die missglückte Diskussion um zusätzliche Eco-Schemes für 2026 zeigt; die Vorschläge waren sicherlich gut gemeint, aber mit Bedingungen, Einschränkungen und bürokratischen Auflagen gespickt, mit denen die beabsichtigte Wirkung weitgehend verfehlt worden wäre.