Mit ausgiebiger medialer Begleitung hat die Regierungskoalition versucht, mit ihrem Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung ihre unübersehbaren Differenzen zu überwinden. Das Paket enthält Positives auch für Landwirtschaft und ländlichen Raum: Der Ausbau erneuerbarer Energien wird forciert, klimapolitische Zielvorgaben, die wenig realistisch aber politisch symbolkräftig waren, werden geerdet und der starre Naturschutzausgleich über Realkompensation wird ausgehebelt. Entspannung beim Flächenverlust ist hingegen nicht in Sicht, ganz im Gegenteil: Ersatzzahlungen sollen möglich werden und zum Flächenerwerb für den Naturschutz genutzt werden können, nach dem Willen der Naturschutzseite via Vorkaufsrecht. Auch wenn das zunächst als Prüfauftrag formuliert ist, betritt die Koalition damit absolut kritisches Gelände. Die Realkompensation ad acta zu legen und intelligente Formate zu suchen ist eine große Chance für Landwirtschaft und Naturschutz. Ersatzgeld für Flächenkäufe zuzulassen ist aber ein Sprengsatz für den Bodenmarkt, beschleunigt den Exodus der heimischen Erzeugung und zerstört die mühsam erreichten Fortschritte im Dialog zwischen Landwirtschaft und Naturschutz.
Unabhängig von diesen für unsere Branche bedeutsamen Punkten lässt der Blick auf das gesamte Paket erwarten, dass in wenigen Monaten die nächsten Runde stattfinden wird. Kein Satz über Finanzierung, kein Hinweis auf die übrigen Politikfelder. Das alles zeigt, wie sehr sich die Ampelkoalition mit den sprichwörtlichen Mühen der Ebene abplagt und wie schwer der Weg von Symbolpolitik und Verbotsreflexen hin zur ebenso sprichwörtlichen Betrachtung der Realität und zu sinnvollen Anreizen oder Lösungen ist.
Hektischer Stillstand statt Umbau der Tierhaltung
Überschaubar sind die Fortschritte im Großen wie im Speziellen. dbk-Leser haben an dieser Stelle verfolgen können, wie lange sich der politische und gesetzgeberische Prozess zu neuen Rahmenbedingungen für die Tierhaltung bisher hingezogen hat. Der Fortschritt, den die Ampelkoalition bisher in dieser Sache erzielt hat, bleibt auch hier deutlich hinter dem Notwendigen und Sinnvollen zurück, bei der Kennzeichnung, beim Bau- und Immissionsschutzrecht und beim Förder- bzw. Finanzierungskonzept. Auch wenn die Richtung ungefähr stimmt: Es ist zu wenig und zu spät, wir stecken in Absichtserklärungen und ausgiebigen Verzögerungsschleifen fest. Die Haltungsformkennzeichnung ist nach wie vor lückenhaft, die Bewegung beim Baurecht wird durch fehlende Öffnung im Immissionsschutzrecht ausgebremst. Das Förderkonzept für Betriebe, die in mehr Tierwohl investieren wollen, ist finanziell begrenzt und wird durch Tricksereien beim GV-Berechnungsschlüssel für viele Betriebe unerreichbar gemacht. Systeme wie die ITW dürfen den Behörden zwar bei der Kontrolle assistieren, ob sich damit aber die bisherigen Tierwohlentgelte weiter im Markt erwirtschaften lassen, bleibt unklar. Die Kritik aus der Branche an den Unzulänglichkeiten des Paketes liegt seit Monaten auf dem Tisch und wird nur punktuell berücksichtigt. Währenddessen stimmen die Betriebe mit den Füßen ab und geben auf, mangels Perspektive und Vertrauen in den Bestand von notwendigen Investitionen. Die Nachfrage nach tierischen Produkten bleibt oder sinkt nur allmählich, also wandert die Erzeugung aus. Selbst denjenigen, die Tierhaltung um jeden Preis reduzieren wollen (nein, niemand hat natürlich die Absicht, dies zu tun … ), kann diese Folge der Unterlassung konsistenten Handelns nicht recht sein. Rückschritte beim Tierschutz, bei der Effizienz und bei der Klimabilanz sind die Folge.
Kurz vor Redaktionsschluss ließen die Akteure zum wiederholten Mal verlauten, nun sei alles geeint und auf dem Weg. Ankündigung und Absicht sind aber keine sichere Währung. Passiert das Paket aus Kennzeichnung, Baurecht und Finanzierung plus Förderung nicht in Gänze und mit den notwendigen Nachbesserungen nicht vor der Sommerpause das Gesetzgebungsverfahren, dann wird aus der faktischen Umbaubremse eine ausgewachsene politische Pleite – Fortschritt sieht anders aus.