Wettbewerb – was ihn auszeichnet, warum er wichtig ist und wie man erfolgreich darin besteht: Man könnte aktuell meinen, in der Milcherzeugung überwiegen Zweifel und Verdruss, wenn es um drängende Fragen geht. Dabei ist die Branche bei aller berechtigter Kritik an der politischen Gestaltungskompetenz nach wie vor ein echtes Powerhouse für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft und international höchst relevant.
Die Sterne stehen gut für die Milch – eigentlich. Milchviehhaltung in Deutschland ist in vielerlei Hinsicht wichtig. In ländlichen Räumen bietet sie Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Außerdem ist sie in vielen Regionen ein nicht zu unterschätzender Bestandteil des Landschaftsbildes, wichtig für die Kulturlandschaftspflege durch das Offenhalten von Grünlandflächen und auf lokaler bis regionaler Ebene identitätsstiftend und erlebbar. Kaum einem Nutztier kann man als Verbraucher so nah kommen wie der Kuh. Was, zugegeben, bisweilen realitätsferne Emotionalität in den milchpolitischen Debatten auch zur Herausforderung werden lässt. Neben dem reinen Gewinn aus der Milchviehhaltung ist zudem zu bedenken, dass benachbarte Branchen wie die Gastronomie und der Tourismus gerade mit der Weide-Milchviehhaltung enormes Synergiepotenzial haben.1 Mit ca. 32 Mio. t Milch ist Deutschland vor Frankreich und den Niederlanden der stärkste Milcherzeuger in der EU, weltweit rangieren wir auf Platz sechs. Die wichtige Rolle, die Deutschland auf dem globalen Milchmarkt spielt, bestätigt sich durch einen Blick in die Exportzahlen. Insgesamt erfolgte im letzten Jahr eine Steigerung um 1 %, Käseexporte steigen seit 1992 kontinuierlich, 2024 um 2 %. Frischmilcherzeugnisse verzeichneten im letzten Jahr mit einem Plus von 7 % den höchsten Exportzuwachs. Die Dynamik bei Käse und Frischmilcherzeugnissen zeigt sich auch im nationalen Konsumverhalten, hier werden vermehrt Milchmischgetränke und Convenience-Produkte (Ayran, Kefir- Drinks) sowie Käse verzehrt. Wichtig: Die Ernährung ist ein Spiegelbild der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Bei einer steigenden Zahl von Vollzeit-Berufstätigen, Einpersonenhaushalten und zunehmender Urbanisierung kommt es rein logisch zu einer Veränderung in Koch- und Essverhalten. Die Frage ist vielleicht: „Was produzieren wir in Zukunft für welche Märkte und was wünscht der Konsument von morgen?“, sie ist aber nicht: „Werden in Zukunft noch Milch und Milchprodukte konsumiert?“
Deutschland ist Gunststandort für Milchproduktion
Fakt ist, die globale Milchproduktion wächst entsprechend der Nachfrage bereits (2024 lt. FAO um 1,5 % auf 981,1 Mio. t) und andere Produktionsländer und -regionen bauen ihre Produktion aus. Jeder Unternehmer sieht hier eine Chance und gleichzeitig die Notwendigkeit, diese auch beizeiten zu ergreifen und nicht anderen Playern den Markt zu überlassen. Deutschland (ausführlicher Artikel zum Thema Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Milchwirtschaft in dieser dbk) erfüllt dabei alle Kriterien eines Gunststandortes für die Milcherzeugung: klimatisch im internationalen Vergleich günstige Bedingungen; Grünlandregionen, in denen durch Beweidung aus für den Menschen nicht verzehrbarer Rohfaser Milch erzeugt wird; und das bei gleichzeitigem Mehrwert durch den Erhalt der Kulturlandschaften sowie für den Klimaschutz durch die CO2- Speicherkapazität von Dauergrünland. Erzeugung und Verarbeitung von Milch unterliegen in Deutschland strengen gesetzlichen Vorschriften und wirtschaftlichen Standards. Das hohe Maß an Know-how im Sektor trägt zum guten internationalen Renommee deutscher Milchprodukte bei. Im Thema Tierwohl sind neben dem QM-System als Deutschlands größter Standardgeber zahlreiche weitere Systeme und Programmträger im Markt aktiv und gewährleisten Tierwohl für die Milchkühe auf den Betrieben bundesweit. Der letzte nicht unwesentliche Standortvorteil ist die geographisch günstige Lage in Zentraleuropa. Ein logistischer Vorteil für wirtschaftliche Effizienz und Nachhaltigkeit im Import-/Exportgeschäft.
Das Prinzip Fördern und Fordern ist aus den Fugen
Natürlich müssen wir uns verändern. Natürlich ist es wichtig, dass zur globalen Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit auch wir unseren Beitrag leisten. Dabei sind der nachhaltige Umgang mit Ressourcen, das Arbeiten mit der Natur und für jeden Nutztierhalter der gute Umgang mit seinen Tieren den Landwirten innewohnend wie keiner anderen Berufsgruppe – aus ethischer und ökonomischer Sicht. Die Milcherzeuger in Deutschland haben die Zeichen der Zeit längst erkannt, an allen Stellschrauben wird gedreht, um nachhaltiger zu werden und zukunftsfähig aufgestellt zu sein. Im Fokus stehen besonders die Themen Emissionsminderung, Biodiversität und Energieverbrauch. Fakt ist aber auch: Das muss sich rechnen. Wer im Markt bestehen will, der muss im Markt und gemäß den geltenden Gesetzen mitspielen. Aus der Kraft, die wir uns über wirtschaftliches Wachstum erarbeitet haben, erwächst die Verantwortung, zur globalen Ernährungsgerechtigkeit und zum Wissenstransfer für nachhaltige Entwicklung vor Ort beizutragen. Damit wir dieser Verantwortung gerecht werden, die bestehende Nachfrage bedienen und unsere Chancen nutzen können, ist es entscheidend, dass die Rolle als Gunststandort und Versorger auf politischer Ebene angenommen wird.
Weiterentwicklung ist das Gebot der Stunde
Der Begriff der „Transformation“ gehört dringend überdacht, da dieser im Grunde sinnfrei und höchst demotivierend ist. Wir müssen nicht das Rad neu erfinden und eine neue Landwirtschaft aufbauen. Denken wir mehr in „Weiterentwicklung“, aufbauend auf dem, was wir haben, und mit Blick nach vorne. Die Forderungen mit Blick auf die Wahlen am 23. Februar sind klar: Es muss endlich das geboten werden, was man der Branche viel zu lange schuldig geblieben ist. Denn er zeigt sich noch nicht: der allseits beschworene Bürokratieabbau. Längst überfällig sind Verschlankung und Effizienzsteigerung, für die Tierhaltung insbesondere ein Rückbau von Regelungen im Bau- und Immissionsschutzrecht. Die Basis für eine zukunftsfähige Entwicklung des Sektors muss ein ideologiefrei gezeichnetes Zielbild für die Landwirtschaft in Deutschland sowie ein gelebtes Bewusstsein für die Bedeutung von internationaler Wettbewerbsfähigkeit sein. Die Landwirtschaft muss als Akteur im Wirtschaftskreislauf mittels glaubwürdiger Partizipation eingebunden werden. Im Besonderen gilt dies für die zukünftige Erarbeitung von Rechtsentwürfen. In den Debatten muss hierbei insgesamt mehr Objektivität Einzug halten, damit die Festlegung strategischer Ziele orientiert an marktwirtschaftlichen Realitäten erfolgt. Bei all dem wird auch die Sicherung von Arbeits- und Fachkräften eine große Herausforderung werden. Hier muss die Politik aktiv unterstützen, indem sie auf unternehmerische Freiheit und Innovation setzt. Hofnachfolge, Ausbildung und Forschung müssen Prioritäten auf der politischen Agenda sein. Vergessen wir nicht, wie unentbehrlich gerade in der Arbeit mit Nutztieren der Mensch ist und bleibt.