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Gerald Dohme
Stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Foto: Breloer/DBV

Die dbk-Bildungsausgabe erfreut sich in diesem Jahr über zahlreiche Berichte mit echter Perspektive. Und das, obgleich der Bildungsbereich zuweilen belächelt, zuweilen wenig Beachtung zu finden scheint. Fakt ist, die Grünen Berufe entwickeln sich entgegen sinkenden Ausbildungszahlen in ausnahmslos allen anderen Wirtschaftsbereichen positiv. Ob damit einher geht, dass die Zukunft der ländlichen Räume gesichert ist, wäre eine etwas kühne und voreilige Ableitung. Aber irgendetwas scheint ja doch besonders attraktiv zu sein am Leben auf dem und mit dem Lande. Der Ausgang der Bundestagswahl ergibt in diesem Zusammenhang vordergründig zunächst keinen erkennbaren Bezug. Oder doch?

Auf eigenen Nachwuchs setzen

Industrie, Handwerk, selbst öffentlicher Dienst und freie Berufe erlebten in jüngster Zeit Rückgänge der Ausbildungsverträge zwischen 3 und 12 Prozent, was sehr zeitnah zu einer weiteren Verschärfung des Fachkräftemangels führen wird. Im Licht weiterhin klarer Präferenzen junger Menschen in Richtung höherer zunehmend universitärer Ausbildungsziele zeigt sich keine Besserung der Lage. Bei uns in den Grünen Berufen hingegen darf man eine Stabilität feststellen, mit Ausschlägen nach oben und unten, aber eben doch eine gesunde Entwicklung. Gerade in den ländlichen Räumen und in deren Strukturen wird übrigens Demokratie gelebt und gestärkt. Und natürlich sehen wir auch die Notwendigkeit, nicht müde zu werden, an der Attraktivität der Ausbildungsberufe zu feilen. Der Wettbewerb um junge Talente wird härter und mancher Ausbilder und Lehrchef ist gehalten, sich ebenfalls zu verbessern und zu modernisieren. Die Zukunft liegt in unseren Händen.

Neue Blicke - vom Tellerrand abspringen

Die Pandemie hat für den internationalen Personenverkehr erhebliche Einschränkungen gebracht, phasenweise kam unser Praktikantenaustausch physisch zum Erliegen. Doch unsere Partner in Übersee reagieren darauf gemeinsam mit unserem Team in und um die Schorlemer Stiftung professionell. Gekonnt werden zum einen digitale Formate zum Austausch und zum anderen die möglichen Reisefenster genutzt. Ein Erleben anderer Wirtschaftsweisen und Möglichkeiten im Agrar- und Food Bereich eröffnet Wege. Und plötzlich findet unser Nachwuchs in der Welt einen Pfad für den Betrieb in der Heimat und unsere Praktikanten aus eben dieser Welt erkennen Vorzüge deutscher Herangehensweisen und ringen um den besten ersten Business-Plan.

Startup heißt "Start machen"

Der wirtschaftshistorisch recht neue Begriff „Startup“ bezeichnet laut Wikipedia eine Unternehmensgründung mit einer innovativen Geschäftsidee und hohem Wachstums-potenzial. Und da sind wir mittendrin in der Frage, weshalb sich der DBV genau dort einmischt. Die Antwort ist denkbar einfach: Wir können verbinden und Menschen zusammenbringen. Die beste Idee für eine Innovation im Stall oder auf dem Acker verkümmert im „BB“, Berliner Brainlab, wenn kein Bezug zum landwirtschaftlichen Betrieb hergestellt werden kann. Und manch ein Betriebsnachfolger sehnt sich danach, die eigenen und betrieblichen Ressourcen völlig anders zu nutzen als die Eltern es vorgemacht haben. Wir bleiben gefordert, den Rahmen, den Raum zu schaffen und Wege aufzuzeigen. Stark, dass wir gemeinsam mit der landwirtschaftlichen Rentenbank und dem Bundeslandwirtschaftsministerium nun Projekte und junge Unternehmen fördern können. Der internationale Wettbewerb wartet nämlich nicht.

Neustart aber bitte ohne Veränderungen - nach der Bundestagswahl

„Wir haben einen klaren Auftrag“ oder „Den Wählerwillen umsetzen“– mit diesen Sätzen haben am Wahlsonntag die Parteien ihren Regierungs- bzw. Politikführungsanspruch unterstrichen. Ein klarer Weg der Koalitionsbildung steht jedoch noch nicht fest. Auch deshalb kommt unserer Forderung, zügig die Sondierungsgespräche aufzunehmen eine besondere Bedeutung zu. Wir Landwirte brauchen politische Klarheit! Perspektiven werden von der Zukunftskommission Landwirtschaft und auch der Borchert-Kommission aufgezeigt. Es geht vor allem darum, die Zukunft der Landwirtschaft und des ländlichen Raums zu sichern und drohende Strukturbrüche abzuwenden. Welcher Koalition jedoch sollen wir zutrauen, sich hinter diese Forderungen zu stellen?

Derweil wächst der Bundestag auf 735 Abgeordnete an – ein neuer Rekord. Aber wieder wird der Anteil an Landwirten und Mandatsträgern mit einem Bezug zur Grünen Branche spürbar geringer. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, die Veränderungsbereitschaft des Berufstandes und die damit verbundenen Herausforderungen zu betonen!

Immerhin: Festgehalten werden kann aber auch eine Stärkung der Mitte sowie ein Abbruch der Ränder. Möge dieser Wahlsieg der Demokratie (mit den geschwächten Rändern) in unserem Sinne sein. Und mögen die von uns selbst erkannten Veränderungsziele gesellschaftlich getragen und bezahlt werden! Es wird allerhöchste Zeit dafür!

Jugend braucht Bildung

Die gestiegene Wahlbeteiligung deutet zudem auf ein langsames Ende der Politikverdrossenheit hin. Es gibt ein hohes Interesse der jungen Generation gegenüber politischen Themen und dies kommt auch durch viele Erstwählerstimmen zum Ausdruck. Dazu haben die vielfältigen Bildungsinitiativen – auch innerhalb unseres Berufstandes – sicherlich beigetragen. Als Organisation der Menschen und Unternehmen auf dem Land fühlen wir uns diesem Anspruch besonders verpflichtet. Nun brauchen wir aber verlässliche Partner und Strukturen für unsere Themen und unser Wissen auch dort wo diejenigen Menschen leben, die sich vom „normalen Menschenverstand“ immer weiter entfernt haben, denn ein Ende scheint nicht in Sicht. Mit Lastenfahrrädern und einseitiger Mangelernährung gerät auch die Zukunft wirtschaftlicher Ballungszentren und städtischer Lebenswirklichkeiten schnell in Gefahr. Und natürlich müssen wir über Mobilität und Ernährungsgewohnheiten der Zukunft nachdenken. Eine top ausgebildete und zukunftsbejahende Jugend muss also ermächtigt werden, sich in Richtung moderner und wohlstandssichernder Aspekte aktiv einzubringen und nach vorn zu handeln. Also politische Mitte, gebt Euch endlich richtig Mühe, dem gerecht zu werden – sondiert und verhandelt zügig, auch für unsere Jugend und deren Bildung.