Nach einem „heißen Herbst“ 2019 stellt sich zum Jahresanfang die Frage nach der Zukunft der Landwirtschaft anders und viel drängender. Die Bauernproteste und „Land schafft Verbindung“ haben gezeigt, dass die Herausforderungen rund um Landwirtschaft, Umwelt und Ernährung nur gemeinsam mit den Bauern zu meistern sind - und dass mit der stereotypen Agrarkritik mancher Kreise kein Staat und keine gute Agrarpolitik zu machen ist. Das ist durchaus eine Agrarwende der anderen Art.
Die Selbstbeschreibung der Internationalen Grünen Woche als agrarpolitischer Jahresauftakt und Positionsbestimmung macht es vor diesem Hintergrund besonders spannend: Die politischen Akteure müssen nun zeigen, dass sie die Botschaft und das Angebot der Landwirte verstanden haben. Das gilt übrigens auch für die ritualisierte Agrarkritik, die ein Teil des IGW-Begleitprogramms ist. Etwas satt zu haben mag eine zeitgenössische Befindlichkeit sein, löst aber keine Probleme und ist auch als Programmatik nicht wirklich ausgereift.
Dialog statt Konfrontation
Und nochmal: den Landwirten geht es nicht um Konfrontation, sondern um einen qualifizierten Dialog auf Augenhöhe. Nimmt man das ernst, kann man sich nicht mehr auf das Moderieren von kontroversen Standpunkten beschränken, sondern muss einige politische und gesetzgeberische Vorhaben anders angehen. Auch das Eingeständnis ist erlaubt, dass die Proteste nicht das Werk aufgeregter Funktionäre waren und seitens der Politik die Tragweite einiger Entscheidungen nicht richtig eingeschätzt worden ist.
"Zukunfstkommission Landwirtschaft"
Der Landwirtschaftsdialog im Bundeskanzleramt Anfang Dezember hat Raum für viele weniger repräsentative und wenige repräsentative Einzelmeinungen gegeben. Neben den vielen vorher schon absehbaren Botschaften ist aber auch ein Auftrag an den Deutschen Bauernverband und Land schafft Verbindung herausgekommen, der die derzeitige Stimmung in der Landwirtschaft gut aufnimmt: Zukunft muss her! Dazu sollen die beiden Organisationen bekanntlich einen Vorschlag für Mandat und Organisation einer „Zukunftskommission Landwirtschaft“ machen. Das klingt auf den ersten Blick etwas bürokratisch, birgt aber Chancen, das aktuelle Beziehungsproblem zwischen Teilen der Politik und der Landwirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen. So viel sei hier gesagt: Die Hausaufgabe ist auf gutem Weg und wir werden gemeinsam liefern.
Verbindliche Politikempfehlungen
Was kann und muss eine solche Kommission leisten? Zunächst muss sie möglichst verbindliche Politikempfehlungen abgeben, mit denen sich das Ziel einer zukunftsfähigen, auch in ökonomischer Hinsicht nachhaltigen Landwirtschaft am Standort Deutschland realisieren lässt. Unter dieser Überschrift werden viele Einzelthemen abzuhandeln sein. Folglich wird es mit einer Handvoll Sitzungen nicht getan sein; die Kommission sollte so konzipiert sein, dass sie mehr als eine erste Themenliste abarbeiten kann. Grundlage für die Arbeit sollte eine gemeinsame Faktenklärung und eine qualifizierte Folgenabschätzung sein. Solche Empfehlungen sollten nicht allein von der Landwirtschaft gegeben werden, sondern müssen von Verbrauchern, Gesellschaft und Marktpartnern mitgetragen und letztlich auch umgesetzt werden, also muss die Zusammensetzung der Kommission das wiederspiegeln.
Landwirtschaft und Verbraucher einbinden
Es hat bisher schon zahlreiche runde Tische und Dialogformate gegeben, die nicht wirklich einen Fortschritt in der Debatte gebracht haben. Das lag zum großen Teil daran, dass etliche Akteure keine Handlungs- und Umsetzungskompetenz für die erarbeiteten Schlussfolgerungen hatten oder auf Spezialinteressen fokussiert waren. Ein häufiges Bild waren auch große Gesprächskreise mit allen möglichen Organisationen, darunter nur wenige Vertreter der Landwirtschaft und der Verbraucher (also derjenigen Gruppen, die es in erster Linie angeht). Die Frage nach der wirtschaftlichen Umsetzbarkeit oder nach Markt und Nachfrageverhalten wurde ebenfalls regelmäßig ausgeklammert. Diese Fehler sollte die Zukunftskommission nicht wiederholen, sondern die beiden wichtigsten Seiten Landwirtschaft und Verbraucher vorrangig einbinden, ohne die übrigen Gruppen ganz aus dem Auge zu verlieren.
Erste Ergebnisse bis zur Sommerpause erforderlich
Adressat der Handlungsempfehlungen aus der Kommission ist schließlich die Politik. Da diese sich selbst keine Empfehlungen geben sollte, kann sie demzufolge allenfalls in einer Beobachterrolle eingebunden werden. Und schließlich muss es schnell gehen; einige konkrete Gesetzesvorhaben mit größerer Tragweite dulden kaum Aufschub: Insektenschutz, Biodiversität, Klimaschutz, Bau- und Genehmigungsrecht für mehr Tierwohl, die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und last but not least die Weichenstellungen für die neue GAP. Erste Ergebnisse müssen daher bis zur Sommerpause vorliegen. Gleichzeitig sollte es selbstverständlich sein, dass die Politik die Arbeit der Zukunftskommission nicht dadurch konterkariert, dass in grundsätzlichen Fragen Fakten geschaffen bzw. Entscheidungen ohne Berücksichtigung der Ergebnisse aus der Kommission getroffen werden.
Landwirtschaft hat Lösungen und Antworten
Die agrarpolitische Agenda 2020 erfordert wichtige Weichenstellungen. Wie sichern wir Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Perspektive trotz vieler nationaler gesetzgeberischer Alleingänge? Wie kann Landwirtschaft mit den Folgen des Klimawandels umgehen und gleichzeitig ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten? Gelingt es, für die Tierhaltung eine Perspektive und verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen zu entwickeln? Wie kann Artenvielfalt in der Agrarlandschaft sinnvoll organisiert werden? Was ist unserer Gesellschaft der ländliche Raum und eine gute Landwirtschaft tatsächlich wert? Das sind alles Fragen, die in eine Zukunftskommission gehören. Landwirte haben Lösungen und Antworten, die sie gerne und vor allem zügig mit Verbrauchern und Gesellschaft diskutieren und verhandeln wollen – also schnell an die Arbeit!