Die Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade entwickelt sich zu einer ernsthaften Bedrohung für die Versorgung mit heimischen Grundnahrungsmitteln. Beim jüngst stattgefundenen Runden Tisch im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wurden zwar die grundsätzlichen Probleme erkannt, konkrete Zusagen für kurzfristige Maßnahmen blieben jedoch aus. Das Ministerium verwies stattdessen primär auf langfristige Lösungsansätze wie integrierte Züchtung und eine veränderte Fruchtfolgegestaltung.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, kritisiert diese zögerliche Haltung des Ministeriums in aller Deutlichkeit: „Man hat offensichtlich den Ernst der Lage nicht erkannt. Wir brauchen jetzt Lösungen für 2025 und die können kurzfristig nur in der Notfallzulassung von wirksamen Pflanzenschutzmitteln liegen.“
„Die Zahlen zeigen nur die Spitze des Eisbergs", warnt Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschaftlichen Verbandes (RLV) und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rübenbauverbände (ADR). „Wenn wir jetzt nicht entschlossen handeln, gefährden wir nicht nur die Zuckerversorgung, sondern durch die Ausbreitung der Zikade auf Kartoffeln und vielen Gemüsekulturen auch die Grundversorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln. Die Zeit für lange Diskussionen ist nicht vorhanden - wir brauchen jetzt pragmatische Lösungen!"
Die von der Zikade übertragenen Krankheitserreger - ein Stolbur-Erreger sowie ein Proteobakterium - führen bereits jetzt zu erheblichen Ertrags- und Qualitätsverlusten. Allein bei Zuckerrüben stieg die betroffene Fläche von 40.000 Hektar im Jahr 2023 auf mindestens 75.000 Hektar im vergangenen Jahr. Das entspricht etwa 20 Prozent der deutschen Rübenanbaufläche. Besonders betroffen sind die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz. Auch die Vertreter der Kartoffelbranche wiesen auf die Bedeutung schnellen Handelns hin: Mehr als die Hälfte der in Deutschland erzeugten Kartoffeln wird zu wichtigen Grundnahrungsmitteln verarbeitet. Diese Mengen können nicht durch Importe ersetzt werden. Die vom BMEL ins Feld geführten langfristigen Lösungsansätze seien zwar fachlich korrekt, ignorierten aber die Notwendigkeit kurzfristiger Maßnahmen zur Sicherung der Lebensmittelversorgung aus heimischer Produktion.
Die Branchenverbände haben ihre fachliche Unterstützung zugesagt und treiben bereits eigeninitiativ Forschungsprojekte voran. Sie erwarten nun vom BMEL ein ausgewogenes Maßnahmenpaket, das sowohl kurzfristige als auch langfristige Lösungen umfasst.