11.06.2024

Der „Tag des offenen Hofes“ bietet nicht nur echte Landwirtschaft im Stall und auf dem Feld, sondern ist auch ein Forum lebhafter Diskussionen. Beim Bundesauftakt auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Purpus in Seesbach kamen auch die Herausforderungen und Perspektiven der Branche zur Sprache. Politische Schwergewichte aus Landwirtschaft, Ministerien und Verbänden debattierten über „Landwirtschaft zwischen Wunsch und Wettbewerb“.

Der gastgebende Betriebsleiter Benjamin Purpus sprach die Praxisferne politischer Programme an. „Natürlich liegt uns Artenvielfalt und Biodiversität am Herzen. Wir investieren da nicht nur in Blühstreifen. Aber die Programme werden oft am Schreibtisch erdacht. Sie müssen aber zu den Höfen passen und nicht umgekehrt“, so der Junglandwirt aus Seesbach.

Milchviehhaltung und Ackerbau sind zwei der Standbeine des Familienbetriebs. Aufgrund der Lage im Ort erschweren Baurecht und Emissionsschutzrichtlinien den Umbau. Dass mehr Tierwohl dennoch gelingt, ist der Leidenschaft und Kreativität der Landwirte zu verdanken. Die ständige Weiterentwicklung hinterlässt Spuren, die auch den Besuchern nicht verborgen bleiben. „Darüber reden wir und versuchen uns tagtäglich am Spagat zwischen politischen Vorgaben und wirtschaftlichem Überleben. Es braucht mehr Unterstützung und weniger Bürokratie, damit wir unsere Höfe erfolgreich in die Zukunft führen können“, so Purpus beim „Talk im Hunsrück“. Dazu gehöre angesichts der steigenden Risiken durch die Klimaveränderungen auch die Einführung einer gesamtdeutschen Lösung für Mehrgefahrenversicherungen, wurde der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, konkret. Der Berufsstand wolle nachhaltigen Pflanzenschutz, aber keine SUR Deutschland (Sustainable Use Regulation - SUR). „Vielmehr brauchen wir pragmatische Lösungen, die mit der Praxis und der Wissenschaft erarbeitet werden“, stellte er sich gegen ordnungsrechtliche Ideen.

Zur Diskussion um das geplante „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ sagte Oliver Conz, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Minister Özdemir plane aktuell keine Verbote im Bereich des Pflanzenschutzes: „Wir werden nicht mit dem Ordnungsrechthammer kommen“, versprach er im Hunsrück und warb um Verständnis für die Menschen, die sich Sorgen um die Artenvielfalt machen.

Theresa Schmidt brachte die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft auf die Hunsrücker Bühne, die gesamtgesellschaftlich vor drei Jahren ausgehandelt wurden und noch immer der Umsetzung harren. „Das bremst uns aus“, sagte die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend. Zukunft brauche gute Rahmenbedingungen. Dazu gehöre eine solide und auch flächendeckende Junglandwirt:innen-Förderung. „Dazu gehören aber auch Mobilfunk und Internet, die nicht an Bergen scheitern wie hier auf dem Hof. Die Digitalisierung kann unsere Arbeit leichter machen. Sie kann uns helfen weniger Pflanzenschutz einzusetzen und Arbeitskräfte einzusparen, aber wenn auf dem Feld der Empfang so ‚gut‘ ist wie hier in der Maschinenhalle, geht das nicht“, sagte die Landjugend-Vorsitzende.

Unterstützung bekam sie u. a. von Daniela Schmitt, Ministerin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz. Ziel ihrer Landesregierung sei es, der jungen Generation von hervorragend ausgebildeten Landwirt:innen attraktive Rahmenbedingungen zu bieten, um langfristig wettbewerbsfähig produzieren zu können. „Es geht um Wertschätzung und Planungssicherheit, aber auch um Zukunftsperspektiven für sie“, sagte die Ministerin. Ihre Politik stelle die jungen Menschen in den Mittelpunkt des Handelns, um ihnen eben auch die Entscheidung zur Hofübernahme einfacher zu machen. Beispielsweise könne der Nachwuchs in Rheinland-Pfalz in dieser Förderperiode durch die Kombination von Junglandwirteförderung, der neuen Niederlassungsprämie und dem Bonus im Agrarinvestitionsförderungsprogramm bis zu 145.000 Euro an Fördermitteln erhalten.

Ob das genug ist, um jungen Frauen den Einstieg in die Landwirtschaft zu erleichtern? Ursula Braunewell berichtete, dass aktuell nur elf Prozent der Betriebe von Frauen geleitet werden. Dabei sei der Fachkräftebedarf enorm. „Das liegt keinesfalls an ihrer Ausbildung, sondern an strukturellen Zugangshindernissen“, so die Vize-Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbands. Neben überholten Geschlechterbildern, die sich nur langsam wandeln, geht es um die Lücken in der sozialen Absicherung von Frauen – egal ob bei Schwangerschaft oder im Alter. „Diese Schwachstellen zu beseitigen, heißt Frauen den Weg in Führungspositionen in der Landwirtschaft zu ebnen“, machte sie deutlich.

Die Diskussion zeigte eindrucksvoll, wie vielfältig und komplex Landwirtschaft heute ist. Die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe stand genauso im Fokus wie Tierwohl, die Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, Mindestlohn, Probleme mit dem Wolf und die GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU). Mit Blick auf die anstehenden Haushaltsverhandlungen in Brüssel und auf die enormen Herausforderungen in der Landwirtschaft forderte Bauernpräsident Joachim Rukwied, das Agrarbudget „deutlich auszuweiten.“ Klare Worte, für die der „Tag des offenen Hofes“ Verständnis schafft, aber dessen Perspektivwechsel auch Denkanstöße für zukünftige Entwicklungen geben.

Der bundesweite „Tag des offenen Hofes“ ist eine gemeinsame Aktion vom Deutschen Bauernverband, dem Bund der Deutschen Landjugend, dem Deutschen LandFrauenverband und ihren Landesbauernverbänden. Unterstützt wird die Gemeinschaftsaktion von der Landwirtschaftlichen Rentenbank.