27.12.2020

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, zeigt sich angesichts der Marktdaten des Jahres 2020 besorgt und zieht Bilanz: „Zum Ende dieses Jahres sehen wir in zahlreichen Betrieben eine sehr schwierige wirtschaftliche Situation. Viele sehen ihre Zukunft gefährdet und haben wichtige Investitionen aufgeschoben. Die Erzeugerpreise für Fleisch sind derzeit ruinös, für die meisten anderen Erzeugnisse nicht zufriedenstellend. Der Lebensmitteleinzelhandel und die anderen Teile in der Lieferkette müssen jetzt ein klares Signal geben, dass sie bereit sind, auch die Bauern an ihren Gewinnen zu beteiligen. Außerdem fordern wir Bauern von der Politik ein klares Bekenntnis zu einer Landwirtschaft in Deutschland. Geplante und teilweise umgesetzte gesetzliche Änderungen und Auflagen sind so einschneidend, dass beispielsweise auch Ackerbau, Weinbau und Obstanbau in einigen Regionen die wirtschaftliche Grundlage verlieren.“

Schweinemarkt
Das Jahr 2020 wird als ein Jahr der Extreme – sowohl hinsichtlich des Preisverlaufs als auch der Ereignisse - in Erinnerung bleiben. So hervorragend das Jahr 2020 für Ferkelerzeuger und Schweinemäster begonnen hatte, so niederschmetternd endete es im Dezember. Dabei begann alles so vielversprechend. Beflügelt durch den enormen Nachfragebedarf nach Schweinefleisch in China konnten zu Beginn des Jahres 2020 ein Spitzenpreis von über zwei Euro pro Kilo Schlachtgewicht und Ferkelpreise von über 80 Euro je Ferkel erreicht werden. Mit Beginn der Corona-Krise in Deutschland und Europa begann allerdings für Schweinemäster und auch Ferkelerzeuger ein frustrierender Preisverfall. Ursache war die lockdownbedingte Schließung der Gastronomie im Frühjahr und zum Jahresende - und vor allem das seit Frühjahr andauernde Verbot von Großveranstaltungen. Gleichzeitig stieg der Preisdruck durch zunehmende Coronafälle in Schlacht- und Zerlegeunternehmen. Insbesondere die coronabedingte Schließung von Europas größtem Schweineschlachthof in Rheda-Wiedenbrück hatte erhebliche Auswirkungen auf den Schweinemarkt. Die von den zuständigen Behörden angeordnete Schließung des Betriebes für einen ungewöhnlich langen Zeitraum von vier Wochen und die anschließend nochmals sehr lange Zeit bis zum Erreichen einer Schlachtleistung nahe des alten Niveaus sorgte für erheblichen Druck im Markt und eine deutliche Verschärfung des sogenannten Schweinestaus mit Auswirkungen bis heute. Der große Ausfall von ca. 130.000 Schlachtschweinen pro Woche konnte nicht von den übrigen Betrieben aufgefangen werden, wodurch ein erheblicher Stau in den Ställen entstand.

Ein weiterer Rückschlag kam am 10.09.2020 mit dem ersten Fund eines Wildschweins in Deutschland mit Afrikanischer Schweinepest. Dadurch entfiel der bisher preisstabilisierende Export – vor allem auch für viele Nebenprodukte (Pfoten, Ohren, usw.), die hierzulande nicht wertgeschätzt werden - in asiatische Drittländer.

Im Ergebnis liegt der Schweine- und Ferkelpreis zum Jahresende bei ruinösen 1,19 Euro/kg Schlachtgewicht bzw. weniger als 25 Euro je Ferkel. Der Schweinestau beläuft sich vor Weihnachten auf ungefähr 670.000 Schweine. Wegen der feiertags bedingt fehlenden Schlachttage wird diese Zahl über den Jahreswechsel nochmal ansteigen. Das Wichtigste wird zu Beginn des Jahres 2021 sein, dass die nach den Feiertagen wieder zurückkehrenden Mitarbeiter in der Fleischwirtschaft unter Beachtung des Gesundheitsschutzes zeitnah in den Betrieben arbeiten dürfen, um den Schweinestau möglichst bald abbauen zu können. Gleichzeitig wird man beobachten müssen, inwiefern sich in den Folgemonaten die Anpassungsreaktionen wie z. B. verringerte Besamung von Sauen, Abbau des Sauenbestandes und verringerte Einstallungen der Schweinemäster in Verbindung mit rückläufigen Ferkelimporten auswirken. Grundsätzlich sollte sich der Markt für Schweine und Ferkel aufgrund der beschriebenen Anpassungsreaktionen somit im Laufe des Frühjahrs erholen. Schwer abzuschätzen sind aktuell aber noch die vermutlich negativen Auswirkungen des Brexits.

Getreidemarkt
Obgleich die Erträge teils höher ausfielen als im Vorjahr, wurden 2020 mit 43,2 rund 1,1 Millionen Tonnen weniger Getreide in Deutschland geerntet als im Vorjahr. Zudem fiel auch in der EU-27 die Getreideernte kleiner aus. Mit 274 Millionen Tonnen wurden acht Prozent weniger gedroschen als 2019. Vor allem Weizen (-12 Prozent) und Mais (-14 Prozent) stehen weniger zur Verfügung. Für das laufende Wirtschaftsjahr 2020/21 lassen diese reduzierten Ernten wichtiger Erzeugungsregionen sowie eine verstärkte globale Nachfrage höhere Erzeugerpreise erwarten. Anfang Dezember 2020 lag in Deutschland das Preisniveau für Brotweizen mit 187 Euro pro Tonne rund 15 Prozent über dem Vorjahreszeitpunkt, Gerste mit 164 Euro pro Tonne rund neun Prozent.

Auch wenn die Hoffnung auf einen baldigen Impfstoff gegen Corona die Lage an den Märkten mittelfristig etwas positiver erscheinen lässt, noch herrscht Besorgnis über mögliche Angebots- bzw. Lieferbeschränkungen, wie es sie im Frühjahr 2020 bereits gegeben hatte. Das treibt die weltweite Nachfrage nach Getreide an und die Preise nach oben. Fürchteten die Exporteure der EU zu Beginn der Saison wegen der kleineren Getreideernte von der Konkurrenz am Weltmarkt preislich abgeschlagen zu werden, räumen die aktuellen Preisentwicklungen dem EU-Getreide am Weltmarkt durchaus Chancen ein. Das schafft mehr Getreide aus dem Land als erwartet und so könnte den EU-Anbietern schnell die Puste ausgehen, sollte das Tempo anhalten. Vor allem, weil die Erzeuger ihre spürbar schwindenden Vorräte in einem festen Markt stärker festhalten. In der zweiten Jahreshälfte dürften in Deutschland auch die Mühlen wieder Bedarf signalisieren. Gleiches gilt für die Mischfutterhersteller.

Milchmarkt
Im Jahresmittel lag der durchschnittliche Erzeugerpreis für konventionelle Kuhmilch im Bundesschnitt bei ca. 32,4 Ct/kg und damit leicht unter dem langjährigen Mittelwert. Das Vorjahresergebnis wurde um ca. 1 Ct/kg verfehlt. Anders als diese Zahlen vermuten lassen, hat das Corona-Geschehen auch im Milchsektor wirtschaftliche Einbußen verursacht. Zuvor konnten sich die Milchviehhalter berechtigte Hoffnung auf deutlich höhere Erzeugerpreise im Jahr 2020 machen. Die Marktakteure setzten noch im März 2020 zum Beispiel an der EEX auf Preise für Milchprodukte, die im Jahresmittel 37 - 38 Ct/kg als Erzeugerpreis erwarten ließen. Dies wäre, insbesondere mit Blick auf die beiden vorangegangenen Dürrejahre und damit einhergehende deutlich höhere Futterkosten, ein notwendiger Beitrag zur wirtschaftlichen Entlastung der Milchviehbetriebe gewesen.

Was bringen die kommenden Monate? Zum Redaktionsschluss dieser Meldung war weiterhin nicht klar, ob und wie der Brexit gestaltet wird. Das Vereinigte Königreich ist als Nettoimporteur von Milchprodukten von erheblicher Bedeutung für einen stabilen Milchmarkt in der Europäischen Union. Allein deshalb sind verlässliche Preisprognosen für das Jahr 2021 nahezu unmöglich. Außerdem sind die wirtschaftlichen Einschränkungen durch das Corona-Geschehen weiterhin eine große Unbekannte bei der Vermarktung von Milchprodukten. Jeder Schritt zurück zur Normalität öffnet auch altbekannte Absatzkanäle im Außer-Haus-Verzehr. Positiv auswirken könnte sich außerdem in den kommenden Monaten der Ausgang von weiterhin ungeklärten Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und der EU.

Die Vielzahl an Einflussfaktoren auf die Erzeugerpreise führen die Bedeutung des Managements von Preisrisiken vor Augen. Es ist erfreulich, dass nun auch größere Molkereien in Deutschland entsprechende Instrumente zur praktikablen Nutzung durch die Milcherzeuger zur Umsetzung gebracht haben, auch wenn dadurch kein grundsätzlich höheres Einkommensniveau erreicht werden kann. Kurz vor den Feiertagen konnte man sich über Warenterminkontrakte Erzeugerpreise für das Jahr 2021 in Höhe von durchschnittlich 32,7 Ct/kg absichern. Ein deutliches Plus bei den Erzeugerpreisen ist so nicht zu erwarten. Bei überdurchschnittlichen Produktionskosten ist deshalb ein weiteres wirtschaftlich herausforderndes Jahr wahrscheinlich.

Öko-Markt
Der deutsche Ökolandbau hat seit 2016 mit jährlichen Wachstumsraten über 10 Prozent um gut 60 – 70 Prozent an Fläche und Betrieben zugenommen. Der Öko-Flächenanteil beläuft sich jetzt auf mehr als 10 Prozent. In 2020 entwickelten sich die Preise heterogen. Mengengetreide standen unter Preisdruck, Öko-Roggen war teilweise nur noch konventionell vermarktbar. Dinkel und Hafer hingegen waren wie in den Vorjahren sehr knapp und hochpreisig. EU-Bio- und Umstellungsware verkauften sich schwächer als Bio-Verbandsware von Bioland, Demeter & Co. Die Öko-Milcherzeugung hat seit 2015 um 70 Prozent zugelegt. Der Öko-Preis blieb dennoch stabil bei 47 bis 48 Ct/kg und tendierte zum Jahresende 2020 Richtung 49 Ct/kg. Extrem knapp ist Öko-Schweinefleisch, nachdem die Öko-Fleischnachfrage 2020 um 50 Prozent zugelegt haben dürfte. Trotz der Preisschwäche beim Öko-Getreide sieht der DBV daher Chancen für marktorientierte Öko-Umstellung, zumal der deutsche Öko-Lebensmittelmarkt 2020 um fast 20 Prozent gewachsen sein dürfte und jetzt bei über 14 Mrd. Euro liegt. Wer umstellt, sollte vorher Kontrakte oder andere verlässliche Absprachen mit seinen Abnehmern vereinbart haben. Das gilt insbesondere für die interessanten aber auch investitionsintensiven Marktsegmente Öko-Fleisch und Öko-Gemüse. Seit Jahren äußern laut DBV-Konjunkturbarometer mehr als 15 Prozent der deutschen Bauern Interesse an einer Öko-Umstellung, im Dezember 2019 lag das Umstellungsinteresse sogar bei über 18 Prozent.

Obst- und Gemüsemarkt
Die Corona-Pandemie und der damit verbundene Wegfall des Absatzkanals Gastronomie beeinflussten den Obst- und Gemüsemarkt 2020 enorm. Hinzu kamen zahlreiche starke Frostnächte, welche den Produzenten zusätzliche Herausforderungen bescherten und die Erntemengen teilweise drastisch reduzierten. Die zu Beginn des Jahres 2020 oftmals über dem jährlichen Durschnitt liegenden Preise dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in diesem Jahr wieder herausfordernde Vermarktungszeiträume gab.

Das gesunde Obst und Gemüse erfreute sich besonders in Zeiten der Pandemie großer Beliebtheit: Der Pro-Kopf-Verbrauch von Gemüse stieg um 2,6 Prozent auf 98,7 Kilogramm. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Obst stieg um 1,7 Prozent auf 105,1 Kilogramm. Insbesondere die Einkaufsmenge der Haushalte bei Äpfeln ist um fast 1 Kilogramm gestiegen. Auch Bananen und Zitronen erfreuten sich steigender Absatzmengen. Zu erwähnen ist auch der sogenannte „Beeren-Boom“, der weiter anhält, welcher jedoch überwiegend durch Importe bedient wird.

Besonders zu beachten ist die um 29 Prozent gesunkene Erntemenge des Spargels. Dieser Rückgang ist mit dem Start der Coronapandemie zu erklären, welcher genau auf den Erntebeginn des Spargels fiel. Grenzschließungen und Quarantäneregelungen lösten starke Unsicherheiten bei den Produzenten und Saisonarbeitskräften aus. Zunächst war nicht klar, ob und wie eine Einreise und die Unterbringung der Saisonarbeitskräfte gestaltet werden kann. Ein Teil der Spargelfläche wurde demzufolge nicht abgeerntet. Die Zwiebelernte fiel mit 6,19 Mio. Tonnen um 5 Prozent geringer aus als im Vorjahr.

Schließlich konnte der Deutsche Bauernverband erreichen, dass trotz geschlossener Grenzen im April und Mai über 40.000 Saisonarbeiter per Flugzeug einreisen konnten, was aber den Gesamtbedarf nicht decken konnte. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Erntemengen von Obst und Gemüse wider: Insgesamt konnten trotz Pandemie auf 125.000 ha Gemüsefläche rund 3,8 Mio. Tonnen (-0,3 Prozent) Gemüse geerntet werden. Auf der Obstanbaufläche von 73.000 ha wurden rund 1,3 Mio. Tonnen (-4,4 Prozent) Obst produziert. Im Gemüsebereich konnte ein durchschnittlicher Selbstversorgungsgrad von rund 35 Prozent (-2,6 Prozent) erzielt werden, bei Obst von rund 16 Prozent.

Rindermarkt
Auch in diesem Jahr hat sich der bereits in der Vergangenheit zu beobachtende Trend sinkender Tierzahlen fortgesetzt. Nach aktuellem Stand werden bundesweit rund 11,4 Mio. Rinder gehalten und somit 1,3 Mio. Rinder weniger als noch vor sechs Jahren. Mit Blick auf die Zusammensetzung zeigt sich deutlich, dass die Milchkuh- und Jungviehbestände überproportional stark zurückgegangen sind, ein klares Indiz dafür, dass der Strukturwandel dort besonders tiefgreifend ist.

Die gegenwärtige Pandemiesituation hat auch den Rindfleischmarkt in besonderem Maße getroffen. Durch die Corona-bedingte Schließung von Cafés, Restaurants, Mensen etc. hat sich die Nachfrage vom Gastronomie- in den Privatbereich verschoben. Die erhöhte Privatnachfrage konnte den fehlenden Absatz im Gastronomiebereich allerdings nicht vollständig kompensieren. Darüber hinaus waren die Exportmöglichkeiten in der EU, dem wichtigsten Exportmarkt für deutsche Rindfleischprodukte, stark eingeschränkt und sanken von Januar bis August um 23,91 Prozent. Auch in der zweiten Jahreshälfte hat sich ein ähnliches Bild abgezeichnet. In Konsequenz hat das die Erzeugerpreise ganzjährig unter Druck gesetzt und dazu geführt, dass Rindermäster im Jahr 2020 nun das zweite Jahr in Folge mit einem wirtschaftlich nicht tragbaren Preisniveau erleben. Die Schlachtpreise für R3-Bullen dotierten ganzjährig auf ihrem Vorjahresniveau und lagen somit knapp 0,22 Euro/Kg Schlachtgewicht (SG) unter dem Jahresdurchschnitt aus 2018. Noch angespannter war die Preissituation für Schlachtkühe. Die Schlachtkuhpreise für O3-Kühe lagen mit durchschnittlich 2,67 Euro/Kg SG rund 0,13 Euro/Kg SG unter Vorjahres- und 0,26 Euro/Kg SG unter dem Vorvorjahresniveau. Besonders deutlich haben sich der Frühjahrs- sowie der Winterlockdown ausgewirkt. Beispielsweise lagen die Erzeugerpreise im März, während des ersten Lockdowns, mit 2,41 Euro/Kg SG abermals 0,63 Euro/Kg SG unter dem ohnehin niedrigen Preisniveau aus dem Vorjahr.

Der aufgezeigte Rückgang in der Gesamtnachfrage nach Rindfleischprodukten am Markt spiegelt sich ebenfalls in den Schlachtzahlen wider. Zwar stagnierte der Rindfleischkonsum insgesamt, entgegen der allgemeinen Tendenz eines sinkenden Fleischverzehrs, bei 9,5 kg pro Kopf und Jahr im bundesweiten Durchschnitt. Trotzdem wurden in der ersten Jahreshälfte 2020 insgesamt 4,1 Prozent weniger Rinder geschlachtet. Analog zum Schweinesektor gab es auch in Rinderschlachthöfen Corona-bedingte Schließungen oder durch Hygienemaßnahmen stark reduzierte Schlachtkapazitäten. Das daraus resultierende hohe Angebot an Schlachtrindern hat eine Erholung des Preisniveaus ganzjährig ausgebremst.