In seiner Grundsatzrede zum Auftakt des Deutschen Bauerntages 2023 in Münster betont der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, die zahlreichen Leistungen der Landwirtschaft und fordert die Bundesregierung auf, Perspektiven für die Zukunft der Betriebe zu schaffen: „Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben uns allen vor Augen geführt, dass Versorgungssicherheit keineswegs selbstverständlich ist. Trotz der damit einhergegangen Herausforderungen wie Lieferkettenproblemen, Inflation und Energiekrise haben die Landwirtinnen und Landwirte zuverlässig die Versorgung mit Lebensmitteln sichergestellt. Es ist höchste Zeit, dass die Ampel-Koalition belastbare Perspektiven für die Landwirtschaft aufzeigt – denn diese sehen viele Betriebe aktuell nicht. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Die Bundesregierung läuft Gefahr, mit den aktuellen Maßnahmen den Wirtschafts- und Landwirtschaftsstandort Deutschland massiv zu schwächen.“
Gerade in einer Branche, die vom Generationengedanken geprägt sei, brauche es zwingend verlässliche politische Rahmenbedingungen, die Investitionen in die Zukunft ermöglichen, so der Bauernverbandspräsident weiter. „Insbesondere die Tierhalter suchen aktuell händeringend nach Signalen, dass Tierhaltung in Deutschland noch eine Zukunft hat. Hier drängt die Zeit massiv – wir erleben bereits jetzt einen Strukturbruch. Angesichts dessen ist es vollkommen unverständlich, dass die in Dialogprozessen erarbeiteten Empfehlungen zum Umbau der Tierhaltung nicht stärker übernommen, sondern lediglich bruchstückhaft umgesetzt werden“, kritisiert Rukwied die Bundesregierung deutlich. Es brauche jetzt zügig erhebliche Nachbesserungen bei der Tierhaltungskennzeichnung, eine vollumfängliche Herkunftskennzeichnung, ein praktikables Bau- und Immissionsschutzrecht sowie ein langfristiges und tragfähiges Förderprogramm.
Gleichwohl sei die Bereitschaft der Branche weiterhin hoch, noch mehr gesellschaftliche Leistungen umzusetzen. „Landwirtschaft kann noch mehr Klima-, Natur- und Artenschutz. Dieses Potenzial kann aber nur mit produktionsintegrierten Maßnahmen ausgeschöpft werden“, betont der Bauernpräsident. Dass insbesondere auf EU-Ebene dieses Potenzial jedoch leichtfertig mit vorgeschlagenen Einschränkungen konterkariert werde, entbehre jeglicher Sinnhaftigkeit. „Die pauschalen Vorgaben und Verbote der Sustainable Use Regulation und des Nature Restoration Law würden in erster Linie zahlreiche Betriebe in ihrer Existenz gefährden und zu einer Verringerung der landwirtschaftlichen Erzeugung in Europa führen. Umweltwirkungen der Lebensmittelerzeugung würden lediglich in Drittländer verlagert, wo unter weit geringeren Standards gewirtschaftet wird“, kritisiert Rukwied weiter.
Gleiches gelte für das geplante Mercosur-Abkommen, welches im Ergebnis die europäische Landwirtschaft durch Standard-Dumping gefährden würde – zu Lasten von Verbrauchern, Tieren, Umwelt und Klima. Der Agrarteil des Mercosur-Abkommens dürfe in dieser Form nicht in Kraft treten und müsse zwingend neu verhandelt werden. Weiter fordert Rukwied die Politik auf, endlich in ein aktives Bestandsmanagement beim Wolf einzusteigen, um Weidetierhaltung nicht zum Auslaufmodell werden zu lassen. Auch mahnt der Bauernpräsident an, die Ökoregelungen als Teil der GAP deutlich nachzubessern und bürokratische Hemmnisse abzubauen.
Angesichts der enormen wirtschaftspolitischen Belastungen würden die Bauernfamilien eine Regierungspolitik erwarten, die von Pragmatismus geprägt ist und mit Augenmaß handelt. Bei aller berechtigten Unzufriedenheit mit der Politik sei es aber gerade in unsicheren Zeiten notwendig, unsere Demokratie zu stärken und sich klar von radikalen Positionen abzugrenzen.