Der traditionelle agrarpolitische Jahresauftakt des Deutschen Bauernverbandes anlässlich der Internationalen Grünen Woche fand Corona-bedingt im digitalen Format statt. Die Spitzen der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen und Parteien stellten in einer Online-Podiumsdiskussion ihre jeweiligen agrarpolitischen Schwerpunkte für die kommende Legislaturperiode vor und diskutierten über die Zukunft der Landwirtschaft.
Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied hob in seiner Eingangsrede hervor, dass insbesondere die junge Generation der Landwirte Antworten zur Zukunft der Landwirtschaft und deren Ausgestaltung brauche. „Wir stehen vor richtungsweisenden Entscheidungen in der Landwirtschaft“, so Rukwied. Auf europäischer und nationaler Ebene habe die Landwirtschaft große Herausforderungen zu meistern. „Wir brauchen Antworten und die Begleitung der Politik in der Frage, wie wir die Agrarpolitik in Europa und Deutschland gestalten“, appellierte Rukwied an die Vertreter der Parteien und die Zuschauer in den digitalen Netzwerken.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner betonte, dass es nicht ausreichend sei, im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik nur die Ökologie zu betrachten: „Es braucht eine Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und den sozialen Fragen.“ Die Ministerin wolle einen konstruktiveren Umgang mit der Landwirtschaft und forderte mehr Wertschätzung für Landwirte, denn „wer regionale Produkte haben will, braucht auch regionale Bauern“, so Klöckner.
In der anschließenden digitalen Podiumsdiskussion machte der Unions-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) deutlich, „wenn die Gesellschaft Aufgaben an die Bauern stelle, dann müsse die Gesamtgesellschaft auch dafür aufkommen“, so Brinkhaus . Neben einer angestrebten Entbürokratisierung und der Ermöglichung schneller Verfahren für Stallumbauten sei es laut Brinkhaus essenziell für die Zukunft der Betriebe auch den Lebensmitteleinzelhandel in die Pflicht zu nehmen.
SPD-Fraktionsvize Dr. Matthias Miersch (SPD) hält vor allem klare Rechtssetzungen im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels für nötig, um auskömmliche Preise für Landwirte zu realisieren. „Ein erster wichtiger Schritt wäre die vollständige Umsetzung der UTP-Richtlinie“, so Miersch. Die bisher im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Instrumente seien nicht wirkungsvoll genug. „Wir brauchen klare Regeln und die Marktmacht muss eingedämmt werden“, forderte er.
Partei- und Fraktionschef Christian Lindner (FDP) äußerte sich zunächst kritisch bezüglich des Bildes der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit. „In unseren öffentlichen Debatten wird immer noch das romantisierte Bild des bäuerlichen Kleinbetriebes als Ideal verbreitet. Wir haben es aber mit einer Landwirtschaft zu tun, die eine Ernährungsfunktion hat“, sagte Lindner. Im Hinblick auf den Preiswettbewerb im Lebensmittelbereich, müsse dieser Wettbewerb im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin möglich sein.
Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.), setzt vor allem auf eine Änderung der Niedrigpreisphilosophie im Lebensmitteleinzelhandel im Zuge der Corona-Pandemie. Auch die Marktmacht der vier großen Konzerne sieht er kritisch. „Die Macht der Konzerne des Lebensmitteleinzelhandels muss ein Stück weit gebrochen werden“, so Bartsch.
Aus Sicht des Parteivorsitzenden der Grünen, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), müsse der Widerspruch zwischen Lebensmittelproduktion und dem Schutz von Lebensgrundlagen – Klima, Gewässer, Artenvielfalt – aufgehoben werden. „Ein landwirtschaftliches System, das in der Vergangenheit richtig war, kann es nicht für die Zukunft sein“, so Habeck.
Der AfD-Obmann im Agrarausschuss, Stephan Protschka, betonte die Bedeutung der Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln. „Wenn wir in Deutschland mit Haltungsbedingungen anfangen, sollten wir auch den Verbraucher darauf hinweisen, wo die Produkte herkommen“, so Protschka.
Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied stellte den Antritt des Deutschen Bauernverbandes heraus, alle Betriebe in der Sicherung ihrer Zukunftsfähigkeit zu unterstützen. Dies „war, ist, und wird in Zukunft so sein. Wir wollen möglichst viele landwirtschaftliche Betriebe erhalten“, so Rukwied. Landwirte stünden zu höheren Standards, zum Umbau der Tierhaltung, zu mehr Biodiversität – dies müsse aber gesellschaftspolitisch begleitet und honoriert werden. „Positiv ist, dass man die Landwirtschaft gemeinsam nach vorne bringen will. Das ist eine wichtige Voraussetzung“, resümierte Rukwied und zeigte sich erfreut, dass sich alle Diskussionsteilnehmer dafür aussprachen, dass am Ende mehr Geld bei den Bauern ankommen müsse.