Die Ampelkoalition plante ursprünglich für den Haushalt 2024, die Agrardieselrückvergütung und die Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge ersatzlos zu streichen. Allein diese beiden Maßnahmen würden für die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland eine Mehrbelastung von rund 920 Mio. Euro pro Jahr bedeuten. Eine Steuererhöhung in dieser Größenordnung für eine einzige Branche ist bisher beispiellos und grob unverhältnismäßig. Zum jetzigen Zeitpunkt hält die Bundesregierung an einer Mehrbelastung von rund 440 Mio. Euro durch die Abschaffung des Agrardiesels fest.
Eine Steuererhöhung in dieser Größenordnung für eine einzige Branche ist bisher beispiellos und grob unverhältnismäßig. Die Landwirtschaft hat bereits empfindliche Einschnitte zu tragen: Hier sind beispielsweise zu nennen Streichungen im Agrarhaushalt in Höhe von 375 Mio. Euro (in der GAK, beim Investitions- und Zukunftsprogramm und bei der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung), Einschränkungen bei der Umsatzsteuerpauschalierung mit zusätzlichen jährlichen Zahllasten in Höhe von 350 Mio. Euro sowie nach der jüngsten GAP-Reform eine empfindliche Reduzierung der direkten Einkommenswirksamkeit beider Säulen gegenüber der GAP-Periode 2014-2022 um rund 30 Prozent.
Aktuell wird viel über die „hoch subventionierte Landwirtschaft“ diskutiert und dass die Agrardiesel-Bauernproteste angesichts dessen unangemessen seien. Warum das nicht stimmt – ein Faktencheck.
Die geplante Streichung der Agrardieselrückerstattung ist eine Steuererhöhung. Bislang zahlen Landwirte einen reduzierten Steuersatz auf Agrardiesel, um diesen auf den EU-Durchschnitt zu bringen. Die bisherige Agrardieselrückerstattung stellt die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Landwirte innerhalb der EU her. Zudem sind Landwirte in der Regel mit ihren Traktoren mehrheitlich auf landwirtschaftlichen Wegen und Feldern und eben nicht auf Hauptverkehrsstraßen unterwegs, für deren Unterhalt die Dieselsteuer gedacht war.
Übrigens: Niemand käme auf die Idee, die Mineralölsteuer für Heizöl auf das Niveau der Energiesteuer für Diesel anzuheben (6,14 Cent/Liter gegenüber +47,04 Cent/Liter) und würde das ernsthaft als Subventionsabbau bezeichnen.
Finanzielle Unterstützungszahlungen an die Landwirtschaft sind heutzutage an klare Bedingungen geknüpft, insbesondere an Umwelt- und Biodiversitätsmaßnahmen. So kommt eine Studie aus dem Jahr 2017 zu den Kosten europäischer Umweltstandards und den zusätzlichen Auflagen in der deutschen Landwirtschaft zu dem Ergebnis, dass die EU-Standards und Auflagen für die deutsche Landwirtschaft um rund 4,1 Milliarden Euro oder 246 Euro je Hektar höher liegen als die Anforderungen im internationalen Wettbewerb.
Den 2017 ermittelten Mehrkosten für nationale und EU-Standards in Höhe von 4,1 Milliarden Euro standen 2022 noch rund 2,8 Milliarden Euro Basisprämie aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union gegenüber. Das sind nur noch rund 44 Prozent der gesamten GAP-Mittel – Tendenz stark fallend. Auf der anderen Seite sind mit der GAP-Reform 2023 weitere aufwendige Auflagen wie z. B. Stilllegung, Fruchtwechsel, Moorschutz, Mindestbodenbedeckung, Grünlanderhalt hinzugekommen, die kaum wirtschaftlich honoriert, sondern als Basispflichten der „erweiterten Konditionalität“ vorausgesetzt werden. Mit der nächsten GAP-Reform sollen die Basisprämien zudem perspektivisch auslaufen.
Insbesondere bei nationalen Förderprogrammen wird nur ein Teil der Mehrkosten für mehr Tierwohl oder Umweltschutz übernommen. So ist etwa im geplanten Bundesprogramm zur Förderung von Tierwohlställen vorgesehen, dass nur maximal 60 Prozent der Investitionskosten sowie 80 Prozent der laufenden Mehrkosten für mehr Tierwohl gefördert werden. Die weiteren Mehrkosten muss der Landwirt im Markt erlösen – oder er macht mit mehr Tierwohl ein Minusgeschäft. Derartige Förderungen dienen übrigens in erster Linie den Verbraucherinnen und Verbrauchern, damit es diesen beim Einkauf preislich leichter fällt, sich für mehr Tierwohl zu entscheiden.
Deutschland fördert und unterstützt die Bürgerinnen und Bürger in vielen Bereichen. Bestes Beispiel hierfür ist seit über 20 Jahren die EEG-Umlage zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Diese belief sich lange Zeit auf zehn bis 17 Milliarden Euro jährlich. Laut aktuellem Subventionsbericht erhalten 2024 die gewerbliche Wirtschaft 26,9 Mrd. Euro, der Wohnungsbau 22,3 Milliarden Euro und der Verkehrssektor 9,2 Mrd. Euro Bundesmittel. Der Anteil für die Ernährung, die Landwirtschaft und den Verbraucherschutz fällt dabei mit 2,4 Mrd. Euro eher moderat aus.
Zwar bilden die EU-Mittel für Natürliche Ressourcen und Umwelt weiterhin etwa rund ein Drittel des EU-Haushalts. Dieser täuscht aber über das eher kleine Finanzvolumen hinweg. Zum einen fließen längst nicht alle Gelder auf landwirtschaftliche Betriebe, sondern insbesondere in die Stärkung der ländlichen Räume und des Umweltschutzes – häufig gemeinsam umgesetzt mit Landwirten; zum anderen erhielt Deutschland zuletzt rund 14 Mrd. Euro (2022: 14,16 Mrd. €) aus Brüssel. Das entspricht knapp drei Prozent des Bundeshaushalts. Davon standen den Landwirten nur 2,8 Milliarden Euro als Basisprämie zur Verfügung, weitere Mittel gab es nur zur Stärkung kleiner Betriebe, für Junglandwirte oder für zusätzliche Umweltmaßnahmen. Zum Vergleich: Die Basisprämie entsprach damit in etwa den Steuermindereinnahmen für die Steuerbefreiung der gesetzlichen oder tariflichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (3,2 Mrd. Euro).
Wenn die Landwirtschaft keine Subventionen mehr erhält, fehlt den Landwirten rund die Hälfte ihres Einkommens. Das würde für viele Bauernfamilien das Aus ihres Betriebes bedeuten. Der Strukturwandel würde zum Strukturbruch und die Betriebe müssten ihre Produktion – Ackerbau wie Tierhaltung – massiv intensivieren, um auf den weltweiten Agrarmärkten wettbewerbsfähig zu sein. Letztendlich könnte dies auf Kosten von Tierwohl und Umweltschutz gehen. Alternativ könnte man vermuten, dass dann die Lebensmittelpreise steigen würden. Zum einen treffen aber – gerade in Zeiten der Inflation – teurere Lebensmittelpreise Menschen mit geringem Einkommen besonders stark; zum anderen würden dann verstärkt Lebensmittel aus anderen Ländern importiert, so dass hiervon die heimischen Landwirte wenig haben und wir wenig Einfluss auf Produktionsstandards nehmen können.