Behauptet wird, dass Landwirte ihren Tieren massenhaft Antibiotika geben, was zu Resistenzen bei Menschen führt.
Tatsache ist, dass Landwirte verantwortungsbewusst mit dem Einsatz von Antibiotika umgehen und sich der Folgen bewusst sind. Für die Bildung von Antibiotika-Resistenzen muss der Einsatz bei Menschen, Nutztieren aber auch Haustieren bewertet werden.
Fakten:
- Antibiotika werden in der Nutztierhaltung nicht prophylaktisch eingesetzt, sondern nur, wenn der Tierarzt sie aufgrund einer Diagnose verordnet. Kranke Tiere müssen mit Blick auf den Tierschutz medizinisch behandelt werden, ein vollständiger Verzicht auf Antibiotika in der Nutztierhaltung ist deshalb nicht möglich. Wer Antibiotika in der Nutztierhaltung einsetzt, muss dies dokumentieren: Landwirte und Tierärzte führen ein Stallbuch. Als Halter von Tieren, die Lebensmittel erzeugen, unterstehen die Landwirte zudem der ständigen Kontrolle der zuständigen Behörden in den Ländern.
- Die Anzahl der gehaltenen Tiere sagt nichts über die Therapiehäufigkeit aus, es gibt große ebenso wie kleine Betriebe, die eine geringe Therapiehäufigkeit haben.
- Der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung als Leistungsförderer oder zur prophylaktischen Anwendung ist seit 2006 in Deutschland und der EU verboten.
- Die Diskussion über multiresistente Keime und den Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung nehmen die Landwirte sehr ernst. Deshalb wurde bereits vor Jahren im Rahmen des Qualitätsmanagements QS ein Antibiotika-Monitoring eingerichtet. Ziel ist es, den Antibiotikaeinsatz zu verringern und die Ausbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien einzudämmen.
- Die Menge der Antibiotika für die Tierhaltung war im letzten Jahr rückläufig (Erhebungen des Deutschen Institutes für Medizinische Dokumentation und Information, DIMDI).
- In der Tiermedizin werden im Gegensatz zur Humanmedizin meist ältere Substanzen mit niedrigerer Wirksamkeit verwendet. Dies hat eine höhere Dosierung und somit eine höhere Gesamtmenge des verabreichten Wirkstoffes zur Folge. Daher ist eine Diskussion allein über die Reduzierung der Menge der eingesetzten Antibiotika nicht zielführend – dies würde sogar die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen fördern.
Verbreitungswege & Resistenzbildung von Antibiotika
- Resistenzen gegenüber Antibiotika entstehen in einem natürlichen Verteidigungsmechanismus der Keime, um überleben zu können. Diese Resistenzbildung wird immer ausgeprägter, je häufiger und länger die Bakterien einem Antibiotikum ausgesetzt sind.
- Der Einsatz von sogenannten Reserveantibiotika ist in der Nutztierhaltung die absolute Ausnahme. Diese für die Humanmedizin besonders wertvollen Antibiotika stellen nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit lediglich rund 1 Prozent der in der Tierhaltung eingesetzten Antibiotikamenge dar. Darin ist auch die Antibiotikaabgabe in der Heimtierhaltung enthalten. Dagegen zählt nach Angaben der Krankenkassen jedes zweite verschriebene Antibiotikum in der Humanmedizin zu den Reserveantibiotika.
MRSA
- Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und Robert Koch-Institut tragen die bei Nutztieren vorkommenden MRSA-Typen selten die typischen, krankmachenden Eigenschaften. So werden bei nutztierassoziierten MRSA kaum Resistenzen gegen solche Antibiotika festgestellt, die in der Humanmedizin eingesetzt werden. Im Jahr 2012 waren rund 5 Prozent der in Krankenhäusern nachgewiesenen MRSA der Nutztierhaltung zuzuordnen. Damit stammen 95 Prozent aus anderen Quellen.
- Einen weiteren Hinweis dafür, dass die Ursachen für die Bildung resistenter Keime stärker in der Humanmedizin liegen, liefert aktuell eine Studie der Krankenkasse DAK. Demnach waren im Jahr 2013 rund 30 Prozent der Antibiotikaverordnungen in der Humanmedizin mit Blick auf die Diagnose fragwürdig und nicht unbedingt medizinisch notwendig.
ESBL
- Aktuelle wissenschaftliche Studien aus den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland zeigen, dass der Ursprung von antibiotikaresistenten Keimen bei Mensch und Tier unterschiedlich ist. Die Wissenschaftler fanden beim Vergleich des Erbgutes u. a. heraus, dass nur 1,2 % der verglichenen Coli-Bakterien von Mensch und Tier eine Ähnlichkeit von nur 70% zeigten. Kein resistenter Tierkeim war mit einem resistenten Keim vom Menschen tatsächlich identisch.
- Zudem gibt es gegenläufige Entwicklungen: So wurde in den Niederlanden ein Anstieg resistenter Humankeime nachgewiesen. Dagegen nehmen resistente Keime in der Tierhaltung deutlich ab (Centraal Veterinair Instituut, NethMap/MARAN 2013-Report).
- Eine Infektion von Menschen mit ESBL-bildenden Erregern über Lebensmittel ist nach Ansicht des BfR grundsätzlich möglich. Jedoch lässt sich das Risiko der Infektion durch eine gute Küchenhygiene stark reduzieren. Weiterhin geht das BfR davon aus, dass neben den Nutztieren auch Haustiere eine Infektionsquelle für solche Keime darstellen können. Wie bedeutend der Beitrag der Infektionsquellen Lebensmittel, Nutz- und Haustiere sowie der Bereich Nutztierbestände in der Landwirtschaft für die ESBL-Problematik bei Erkrankungen des Menschen ist, lässt sich laut BfR aus den bisher vorliegenden Daten nicht abschätzen. Da der Mensch Träger dieser Bakterien sein kann, ist auch eine Übertragung von Mensch zu Mensch möglich. Dies tritt laut BfR insbesondere auch in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens auf.
- Es ist notwendig, die Übertragung von ESBL-Keimen von Mensch zu Mensch zu reduzieren. Hierfür müssen insbesondere neben einer Verbesserung der Krankenhaushygiene auch Krankenhausabfälle und -abwässer sterilisiert werden.
Antibiotika im Grundwasser
Das Umweltbundesamt (UBA) hat 2014 in vier Bundesländern eine Untersuchung zu Tierarzneimittel-Wirkstoffen im Grundwasser durchgeführt. Die Ergebnisse dokumentieren eindeutig, dass auch bei einem Worst-Case-Ansatz, grundsätzlich kein Eintrag von Tierarzneimitteln in das oberflächennahe Grundwasser festgestellt werden kann.
Bei 39 von 48 Messstellen wurden keine Wirkstoffe nachgewiesen, bei sieben nur sehr niedrige Konzentrationen von Einzelwirkstoffen, obwohl Untersuchungsstandorte mit hohem Viehbestand und intensivem Einsatz von Wirtschaftsdüngern ausgewählt wurden und die Böden für diesen Zusammenhang ungünstige Beschaffenheiten aufwiesen (sorptionsschwach und gut belüftet, hohe Stickstoffgehalte sowie hohe Neubildungsrate des Grundwassers und kurze Verweildauer des Sickerwassers im Untergrund).
Grundsätzlich können Antibiotikarückstände nach ihrer Anwendung über Ausscheidungen in Böden und Gewässer gelangen. Inwieweit die gefundenen Antibiotikarückstände aus der Tierhaltung oder aus dem Einsatz im Humanbereich stammen, ist häufig nicht nachzuweisen, da die Wirkstoffe auch über Kläranlagen in Oberflächengewässer sowie durch die Ausbringung von Klärschlemmen in die Böden und das Grundwasser gelangen können.
Die meisten Antibiotika sind natürlich gebildete, niedermolekulare Stoffwechselprodukte von Pilzen oder Bakterien. Somit kommen Antibiotika schon seit Jahrtausenden in der Umwelt vor. Manche Antibiotika zerfallen von allein, andere werden von Bakterien im Boden abgebaut.