Die Einführung der EU-Verordnung 2023/1115 über entwaldungsfreie Lieferketten (kurz EUDR) auf dem europäischen Binnenmarkt nimmt deutsche Sojaanbauer, Rinderhalter und Forstwirte ab 2025 in die Pflicht, ein umfassendes, bürokratisches Nachweissystem mit Sorgfaltspflichtenerklärungen umzusetzen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) unterstützt grundsätzlich die ursprünglichen Ziele der vorliegenden Verordnung der EU-Kommission, die Rodung von Primärwäldern zu stoppen, lehnt jedoch den Weg der Umsetzung entschieden ab. Für Deutschland und große Teile von Europa ist die „Entwaldungs-Problematik“ hinreichend dokumentiert und praktisch nicht vorhanden. Der DBV fordert im ersten Schritt eine Aussetzung des Anwendungsbeginns und im zweiten Schritt eine Anpassung der Verordnung, die in Ländern wie Deutschland mit einem Waldaufbau und weitreichenden Waldschutzgesetzen die Primärerzeuger von der Anwendung ausnimmt.

Betroffene Betriebe müssen ab 2025 Sorgfaltspflichtenerklärungen erstellen
Die EUDR ist eine zentrale Säule des Green Deals der Europäischen Kommission. Mit dieser Verordnung soll ein erheblicher Beitrag gegen die Entwaldung und Waldschädigung zugunsten von Agrarflächen sowie für Menschenrechte geleistet werden. Ziel der EUDR soll sein, dass auf dem europäischen Markt bestimmte Produkte zukünftig nur noch dann bereitgestellt und gehandelt werden können, wenn diese nachweislich ab dem Stichtag 31.12.2020 entwaldungs- und waldschädigungsfrei sind. Zudem müssen Rohstoffe und Erzeugnisse legal im Rahmen der Gesetze des Ursprungslandes produziert worden sein. Die Konformität der relevanten Produkte und Erzeugnisse mit der EUDR ist durch Sorgfaltspflichtenerklärungen entlang der gesamten Lieferkette nachzuweisen. Unter die relevanten Rohstoffe fallen neben den klassischen Importwaren Palmöl, Soja, Kaffee, Kakao und Kautschuk auch Soja, Holz und Rinder sowie die daraus hergestellten relevanten Erzeugnisse gemäß dem Anhang I der Verordnung. So sind in Deutschland neben den Forstwirten auch alle rinderhaltenden und sojaanbauenden Landwirte von der EUDR betroffen und müssen ab dem Anwendungsbeginn (für große Unternehmen ab 01.01.2025, für kleine Betriebe ab dem 01.07.2025) Sorgfaltspflichtenerklärungen vor dem Verkauf erstellen.

Inhaltliche Mängel, technische Fehler und unausgereifte Rahmenbedingungen
Abgesehen von den vielen inhaltlichen und technischen Mängeln der Verordnung nur wenige Monate vor dem Anwendungsbeginn, sieht es nach dem derzeitigen Stand im Juni 2024 auch in Bezug auf die von der EU-Kommission zu schaffenden Rahmenbedingungen verheerend aus. Zehn EU-Mitgliedsstaaten haben bisher keine zuständige Behörde benannt, die Testphase des zentralen Informationssystems wies eklatante Schwächen auf, notwendige juristische Definitionen und verbindliche Klarstellungen stehen noch immer aus und das Länderbenchmarking-System wird nicht zum Jahresende zur Verfügung stehen. Eine transparente, einfache und nachvollziehbare Anwendung ist nach wie vor unmöglich. Mitgliedsstaaten der europäischen Union sowie nicht-europäische Drittländer beklagen unverhältnismäßige Anforderungen, hohe Bürokratiekosten und Unsicherheiten bei der Umsetzung der EUDR. Diesen fatalen Statusbericht bestätigt Agrarkommissar Wojciechowski in seinem Schreiben an Kommissionspräsidentin von der Leyen.

Länder erkennen Sorgen der Land- und Forstwirte an und fordern bürokratische Entlastung
Die Frühjahrskonferenz der Agrarminister hat die Sorgen der Land- und Forstwirte in Bezug auf die Entwaldungsverordnung einstimmig anerkannt und die Bundesregierung aufgefordert, sich bei den zuständigen Generaldirektionen in Brüssel für eine bürokratische Entlastung der Marktteilnehmer einzusetzen – insbesondere dort, wo nachweislich kein Risiko einer Entwaldung im Sinne der EUDR besteht. Darüber hinaus wurde gefordert, den Anwendungsbeginn der EUDR zu verschieben. Für die Bundesregierung, allen voran das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), ist das wohldokumentierte Ziel, die Vorarbeiten zur Umsetzung der EUDR möglichst schnell und fristgerecht abzuschließen. Der Fokus liegt dabei ausschließlich auf der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der Verordnung, der Unterstützung von Drittländern und den Überprüfungsmechanismen zur Erweiterung des Geltungsbereichs der EUDR. Den großen Bedenken der hiesigen Rinderhalter, Sojaanbauer und Waldbesitzer widmen sich BMEL und auch das Bundesumweltministerium nicht. Die vom zuständigen Ressort des BMEL diesbezüglich angeführten Bedenken gegen eine Ausnahme der Produzentenebene aus der EUDR wurde seitens der Regierung zwar bekräftigt, stehen jedoch im Widerspruch zu den Ergebnissen des Rechtsgutachtens der Kanzlei Dombert-Rechtsanwälte. Diese bestätigen in ihrem Gutachten, dass eine pauschale Ausnahme relevanter Rohstoffe aus bestimmten Ländern unter qualifizierten Bedingungen mit dem Welthandelsrecht, insbesondere dem WTO-Recht, vereinbar und die Ablehnung der Vereinfachung rechtlich unbegründet sei.

DBV kritisiert ausufernde Bürokratie und fehlenden Umweltnutzen
Der Deutsche Bauernverband kritisiert, dass die EUDR auf dem deutschen Markt außer ausufernder Bürokratie keinen umweltpositiven Mehrwert generiert, aus handelsrechtlichen Gründen jedoch ohne Kompensation für den zusätzlichen Aufwand angewendet werden muss. In den Jahren zwischen 1990 und 2020 wurden nach Schätzungen der FAO weltweit 420 Millionen Hektar Wald in landwirtschaftlich genutzte Fläche umgewandelt. Die europäische Union hat daran einen Anteil von etwa 10 Prozent zu verantworten, während der Löwenanteil bei anderen Ländern liegt. Die globale Entwaldung schreitet jährlich mit 10 Millionen Hektar Waldverlust voran. Ungeachtet der offenen Fragen bezüglich der Wirkzusammenhänge muss sich die Frage nach dem deutschen Einfluss auf dieses Geschehen gestellt werden, da überwiegend Palm, welches lediglich eine untergeordnete Rolle in der Tierernährung spielt, und Soja mit circa zwei Dritteln auf diesen benannten Flächen angebaut wird. Die deutsche Landwirtschaft hat für Soja bereits zu Jahresbeginn über die Einführung des QS-Sojaplus-Moduls einen entscheidenden Schritt bei der Verwendung von sojahaltigen Futtermitteln gemacht. Die Ressourcen von Sojafuttermitteln müssen durch Zertifizierungsstandards, die konform mit der FEFAC-Soy Sourcing Guideline von 2023 sind, nachweisen, dass keine negativen Auswirkungen in der Herkunftsregion bestehen. QS-Ware, die den Großteil der landwirtschaftlichen Tierhaltung abdeckt, ist somit nicht nur sozial nachhaltig und entwaldungsfrei, sondern bereits jetzt komplett umwandlungsfrei. Ein Mehrwert durch die EUDR für den heimischen Wald wird ebenfalls nicht erwartet. In Deutschland sichern normative, rechtliche und freiwillige Beschränkungen, die eine nachhaltige Forstwirtschaft ohne Entwaldung und Waldschädigung in Deutschland garantieren, die Entwaldungsfreiheit ab. Diese Fakten werden durch die bewährte nachhaltige Waldbewirtschaftung, geltende Bundes- und Landeswaldgesetze sowie verschiedene Zertifizierungssysteme gesichert. Zudem wächst die Waldfläche in Deutschland seit Jahrzehnten nachweislich, weshalb die Entwaldungsverordnung ein Problem zu bekämpfen versucht, das in Deutschland und vielen weiteren Ländern nicht existiert.

DBV fordert: Anwendungsbeginn aussetzen und Verordnung anpassen
Der DBV fordert im ersten Schritt eine Aussetzung des Anwendungsbeginns und im zweiten Schritt eine Anpassung der Verordnung. Länder wie Deutschland, die keinen Waldabbau bzw. vielmehr einen Waldaufbau belegen können und weitreichende Waldgesetze einhalten, müssen von der Umsetzung auf Produzentenebene und jeglichen zusätzlichen Nachweisverfahren ausgeschlossen werden. Als Mitglied des Deutschen Forstwirtschaftsrates (DFWR) verweisen wir zudem auf die Forderung aus der Eisenacher Erklärung vom 11.06.2024.