Hintergrund

Die Hauptaufgabe der Landwirtschaft besteht in der Erzeugung qualitativ hochwertiger Lebensmittel, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Die Nutzungskonkurrenz für landwirtschaftliche Flächen verschärft sich laufend; gleichzeitig schreitet der Flächenverlust ungebremst voran. Deshalb ist es essenziell, die landwirtschaftliche Produktion auf der zur Verfügung stehenden Fläche zu erhöhen bzw. zu sichern. Das verstärkte Auftreten von Schädlingen und Krankheiten, aber auch der politische Druck zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes tragen dazu bei, dass die Palette der ackerbaulichen Möglichkeiten kleiner wird, um auf Befall angemessen zu reagieren und die Entstehung von Resistenzen einzudämmen. Im Zuge des Klimawandels nimmt auch die Geschwindigkeit zu, in der sich Anbausysteme und Nutzpflanzen an veränderte und ex-tremere Standortbedingungen anpassen müssen. Damit dieser Spagat gelingen kann, kommt der Pflanzenzüchtung eine tragende Rolle zu. Die Verfügbarkeit einer breiten und regional angepassten Sortenvielfalt ist für die Landwirtschaft ein entscheidender Beitrag zur Ertragssicherung und damit zur Erzeugung sicherer und hochwertiger Lebensmittel.

Pflanzenzüchtung und Genomeditierung

Umfassende Sortenversuche zum Züchtungsfortschritt in Weizen zeigen, dass moderne Sorten sowohl unter extensiv als auch in intensiv geführten Anbausystemen besser abschneiden als alte Sorten. Grund dafür sind verbesserte Krankheitsresistenzen sowie eine erhöhte Nährstoffnutzungseffizienz. Der klassische Züchtungsprozess ist jedoch gerade in Kulturen wie dem Weizen aufwendig und langwierig. Durch neu entwickelte Züchtungsmethoden konnte die Züchtung neuer Sorten im Laufe der Zeit immer genauer und zielgerichteter durchgeführt werden, und so die Effizienz des Züchtungsprozesses gesteigert werden.

Die neuen Verfahren der Genomeditierung, wie CRISPR/Cas, bieten nun die Möglichkeit, spezifische Veränderungen im Genom mit höherer Präzision und Effizienz herbeizuführen. Bei der Bewertung dieser Verfahren sollte nicht die Technik, sondern die Art der Veränderung im Vordergrund stehen, auch deshalb, weil sich die durch Genomeditierung erzeugten Punktmutationen nicht von natürlichen Mutationen oder der ungerichteten Mutagenese unterscheiden. Die Vorteile der Genomeditierung liegen in der deutlichen Beschleunigung des Züchtungsprozesses und der beschleunigten Domestizierung alter Landsorten oder stressresistenter Wildpflanzen. Die Hauptanwendungsbereiche liegen in der Verbesserung agronomischer Eigenschaften (Ertrag und Wachstumseigenschaften), einer verbesserten Nahrungs- und Futtermittelqualität und einer verbesserten Krankheitsresistenz. Gerade resistente Sorten bieten den Landwirten ein wesentliches Potenzial, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ohne Ertrags- und Qualitätsverluste zu reduzieren. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass durch Genomeditierung die Krankheitsresistenz in Pflanzen in unterschiedlichen Kulturarten erhöht werden kann: virusresistente Gurken, Kartoffeln mit einer verbesserten Resistenz gegen den Kartoffelvirus Y, Resistenz gegen Blattfleckenkrankheit in Mais, Resistenz gegen Sclerotinia sclerotiorium in Raps, Mehltauresistenz in Weizen oder Wein mit einer verbesserten Resistenz gegen die Grauschimmelfäule. Allerdings gehen solche Entwicklungen aufgrund der hohen Zulassungshürden an den europäischen Landwirten vorbei.

Diese Techniken sind keine Universallösung und können nicht die Weiterentwicklung und Optimierung unserer Anbausysteme ersetzen. Sie sind ein wichtiges, aber eines von vielen Instrumenten, um dem Klimawandel besser begegnen zu können. Die Herausforderungen haben aber eine Größenordnung, die einen Verzicht auf diese Züchtungsverfahren verbietet.

Geltendes Gentechnikrecht ist keine geeignete Grundlage

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Juli 2018 geurteilt, dass alle mittels der Genomeditierung gewonnenen Organismen in den Anwendungsbereich des Gentechnikrechts fallen. Eine Differenzierung je nach Art der Veränderung (Punktmutation, Einbau von arteigenen oder artfremden Genen) findet nicht statt. Des Weiteren hat er klargestellt, dass klassische Züchtungsverfahren der ungerichteten Mutagenese zwar auch gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sind, allerdings nicht unter die verschärften Zulassungsbedingungen der Freisetzungsrichtlinie 2001/18 EG fallen. Das hat zur Folge, dass Organismen, die eine identische genetische Veränderung tragen, unterschiedlich reguliert werden, je nachdem, ob die Veränderungen durch die ungerichtete Mutagenese oder mittels Genomeditierung erzeugt wurden. Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass potenzielle Risiken nur von der Pflanze selbst bzw. von ihren neu-en Merkmalen ausgehen können, nicht aber von der eingesetzten Züchtungsmethode.

Der Deutsche Bauernverband betrachtet die Folgen des EuGH-Urteils mit großer Sorge, da hier eine differenzierte Betrachtung je nach Art der erzeugten genetischen Veränderung nicht vorgesehen ist. Diese Rechtsauslegung zeigt zuallererst die Grenzen und die Defizite des derzeitigen Gentechnikrechts auf. Die Agrar- und Ernährungswirtschaft wird zudem vor erhebliche Probleme gestellt:

  • Durch Genomeditierung erzeugte Mutationen sind nicht von natürlich auftretenden zu unterscheiden. Die Überwachung, Kontrolle und Rückverfolgbarkeit der entsprechenden Produkte kann im internationalen Warenverkehr nicht gewährleistet werden.
  • Die Anforderungen an die Zulassung von GVO in der EU und die hohen Kosten des Zulassungsverfahrens führen dazu, dass die Agrarbranche vom wissenschaftlichen Fortschritt durch die Anwendung der Genomeditierung und die Entwicklung europäischer Perspektiven ausgeschlossen werden. Kleine und mittelständische Zuchtunternehmen werden ohnehin durch den derzeitigen Rechtsrahmen massiv benachteiligt.
  • Außerhalb der EU (u. a. in den USA, in Kanada, Argentinien, Brasilien, Chile, Japan, Südkorea und weiteren Ländern) wird die Erzeugung von Punktmutationen durch Genomeditierung nicht der Gentechnik zugeordnet. Entsprechende Produkte müssen nicht gekennzeichnet werden, wodurch es zu Wettbewerbsnachteilen und Rechtsunsicherheiten bei der Einfuhr und der Verwendung von Agrarerzeugnissen kommt.

Der Deutsche Bauernverband fordert:

Novellierung des europäischen Gentechnikrechts

Die aktuelle restriktive Regulierung, die den Einsatz der Genomeditierung in Europa für die gesamte Landwirtschaft de facto unmöglich macht, muss angepasst werden.

Genomeditierte Organismen, deren Veränderungen nicht von natürlich auftretenden Mutationen zu unterscheiden sind und auch mithilfe konventioneller Züchtungsverfahren entstehen können, müssen vom Geltungsbereich des Gentechnikrechts ausgenommen werden. Die drängenden Herausforderungen der Landwirtschaft müssen auch zeitnahe Lösungen zulassen.

Keine Patente auf Tiere und Pflanzen

Der Deutsche Bauernverband lehnt die Erteilung von Patenten auf Tiere und Pflanzen, aber auch auf einzelne Gensequenzen strikt ab. Dies gilt auch und insbesondere im Zusammenhang mit den neuen Züchtungsmethoden, die nicht dazu führen dürfen, dass das eigentliche Schutzregime für geistiges Eigentum im pflanzlichen Bereich, dem Sortenschutz, ausgehebelt wird. Eine auch nur punktuelle Erteilung von Biopatenten würde das Sortenschutzrecht als das vornehmliche Schutzrecht unterlaufen.

Klein- und mittelständische Pflanzenzüchtung stärken

Landwirte brauchen standortangepasste regionale Sorten, welche die geforderten Qualitäten und Erträge liefern. Dafür braucht es eine breite Züchterlandschaft. Aus Sicht der Landwirtschaft ist das im Patentrecht dem Patentinhaber gewährte Ausschließlichkeitsrecht für die Pflanzen- und Tierzucht nicht akzeptabel. Als Voraussetzung für die Züchtung regional angepasster Sorten muss dafür Sorge getragen werden, dass Patente auf Genomeditierungstechniken so ausgestaltet werden, dass sie auch von kleinen und mittelständischen Züchtungsunternehmen eingesetzt werden können.

Differenzierung im Markt möglich machen

Die besonderen Belange des Ökolandbaus müssen bei einer Neuregelung berücksichtigt werden. Hierzu muss die Politik gemeinsam mit den Betroffenen Lösungswege zur Gewährleistung der Entscheidungsfreiheit suchen. Die Etablierung einer verpflichtenden Datenbank für Genomeditierungsanwendungen könnte dazu ein wichtiger Baustein sein.