1. Agri-PV benötigt stärkere Anstrengungen, um Potenzial zu entfalten
Die Agri-Photovoltaik, kurz Agri-PV, verknüpft die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte mit der Solarstromproduktion auf ein und derselben Fläche und ermöglicht eine Doppelernte. Das trägt zu einer effizienteren Landnutzung bei, verringert die Flächenkonkurrenz und treibt die Energiewende voran. Das Problemlösungspotenzial der Technologie ist groß: Die Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Äckern und Wiesen durch Bau- und Infrastrukturmaßnahmen ist ungebrochen hoch. Gleichzeitig werden immer mehr Flächen für Naturschutz- und Biodiversitätsmaßnahmen beansprucht. Agri-Photovoltaik kann diese Nutzungskonflikte lösen, ohne dass die bisherige Nutzung von Feldern, Äckern und Wiesen verloren geht, und sie hat das technische Potenzial, mehr als den gesamten aktuellen Strombedarf bilanziell zu decken.
Landwirtschaftliche Betriebe können mit Agri-PV auf ein und derselben Fläche Nutzpflanzen anbauen und Solarstrom erzeugen. Wenn die Voraussetzungen stimmen, kann Agri-PV damit landwirtschaftlichen Betrieben eine verlässliche Einkommensergänzung bieten und zur Energiewende beitragen. Der Gesetzgeber möchte die vielversprechende Technologie künftig finanziell unterstützen: Ab nächstem Jahr gibt es im Rahmen der Innovationsausschreibungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) die Möglichkeit einer Einspeisevergütung. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßen die Berücksichtigung der Agri-Photovoltaik als „besondere Solaranlage“ im EEG, halten jedoch nachträgliche Korrekturen für unbedingt notwendig. So sollten die Beschränkung auf Ackerflächen und der Zwang zur Kombination mit weiteren technischen Anlagen aufgehoben werden. Auch das Verbot, den Solarstrom selbst zu nutzen, erachtet der DBV als widersinnig: Eigenverbrauch motiviert Maßnahmen zum Lastmanagement vor Ort und stärkt damit einen weiteren Baustein der Energiewende.
2. Einbindung der Agri-PV in das EEG wird begrüßt
40 Jahre nachdem der Fraunhofer ISE-Gründer Prof. Adolf Goetzberger und ein Wissenschaftler des Instituts, Armin Zastrow, die Agri-PV erstmals vorgestellt hatten, ist nun der Weg frei für eine mögliche Förderung durch das EEG. Die Integration der Agri-PV in die EEG-Sonderausschreibungen ist ein wichtiger Schritt für die Technologie. Um aus der Nische in den Markt treten zu können, ist aber eine zielgerichtete staatliche Unterstützung erforderlich. Andere Länder wie die Niederlande, Frankreich, China und einzelne Bundesstaaten der USA haben hier bereits einen deutlichen Vorsprung.
Auch aus landwirtschaftlicher Perspektive ist die Berücksichtigung der Agri-Photovoltaik ein Fortschritt: In vielen deutschen Regionen nimmt die Konkurrenzsituation von Photovoltaik-Freiflächenanlagen zu landwirtschaftlichen Flächen, die für die Lebensmittelerzeugung gebraucht werden, immer weiter zu. Da die herkömmlichen Freiflächenanlagen mit erheblichen Eingriffen in Agrarstruktur und Umwelt verbunden sind, werden Lösungen wie die Agri-PV benötigt, die in bestehende Strukturen integriert werden können, keine zusätzlichen Flächen verbrauchen und so den Zubau der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren im besseren Einklang mit Landwirtschaft und Landschaft sicherstellen.
3. Beschränkung auf Ackerflächen ist kontraproduktiv und sachlich nicht ge-rechtfertigt
Die am 1. Januar 2021 in Kraft getretene EEG-Novelle sieht vor, dass im Rahmen der Innovationsausschreibungen ein Segment in Höhe von 50 Megawatt (MW) installierter Leistung für besondere Solarstromanlagen reserviert wird. Inzwischen wird eine Aufstockung auf 150 MW diskutiert. Zu dem Segment gehören neben „Solaranlagen auf Ackerflächen bei gleichzeitigem Nutzpflanzenanbau auf der Fläche“ auch Photovoltaikanlagen über Parkplätzen und schwimmende Solarstromanlagen. Am 1. April 2022 müssen die Gebote für die zu fördernden Anlagen an die Bundesnetzagentur abgegeben werden.
Die Beschränkung des Segments auf „Ackerflächen bei gleichzeitigem Nutzpflanzenanbau“ ist nach Auffassung von Fraunhofer ISE und DBV wenig sinnvoll. Erfahrungen aus anderen Ländern und erste Pilotprojekte in Deutschland zeigen, dass sich Agri-PV-Konzepte insbesondere auch für die Anwendung im Obstbau und bei Sonder- und Dauerkulturen eignen. Obst, Beeren und Wein müssen etwa oft vor Hagel, Starkregen, Frost und Sonnenbrand geschützt werden. Solarmodule können hier ohnehin bestehende Strukturen wie Hagelschutzsysteme oder Folientunnel ersetzen. Auf Grünland gibt es zudem aussichtsreiche erste Erfahrungen mit senkrecht aufgestellten Streifen aus bifazialen Solarmodulen.
Ziel einer Innovationsausschreibung muss es sein, Erfahrungen mit neuen Anlagentypen zu sammeln. Verlässliche Erkenntnisse können für die Agri-PV aber nur gewonnen werden, wenn vielversprechende Technologieansätze im Obstbau und auf Grünland nicht von vornherein von einer weiteren Erprobung ausgeschlossen sind. Fraunhofer ISE und DBV sprechen sich mit Nachdruck dafür aus, dass Agri-PV-Anlagen innerhalb des EEG grundsätzlich auf allen landwirtschaftlichen Nutzflächen errichtet werden können.
4. Kontingent notwendig, damit Agri-PV tatsächlich zum Zug kommt
Fest steht bereits: Im Segment „besondere Anlagen“ sind Agri-PV-Anlagen mit einer installierten Leistung von 100 Kilowatt bis zwei Megawatt förderfähig. Betreiber von Agri-PV-Anlagen, die erfolgreich an einem Ausschreibungsverfahren teilnehmen, erhalten vom Netzbetreiber für den eingespeisten Strom eine Marktprämie und zusätzlich den Verkaufserlös. Die Höhe der Marktprämie wird in der Ausschreibung ermittelt, der Gebotshöchstwert liegt dafür voraussichtlich bei 7,5 Cent pro Kilowattstunde. Die Verkaufserlöse dürften je nach Zeitpunkt drei bis fünf Cent pro Kilowattstunde betragen.
An der Ausschreibung teilnahmeberechtigt sind jedoch nur Anlagenkombinationen. Agri-PV-Anlagen müssen daher etwa mit einem Speicher oder einer anderen Ökostromanlage gekoppelt werden. Diese Forderung geht nach Einschätzung des Fraunhofer ISE und des DBV an einer zielgerichteten Förderung der Agri-PV vorbei und sollte daher gestrichen werden.
Da die drei Anlagentypen im Segment der besonderen Solaranlagen, Agri-PV, PV-Überdachungen für Parkplätze und schwimmende Photovoltaikanlage neu in den Markt treten, muss im Sinne der Gleichbehandlung ein Kontingent zur Erprobung festgeschrieben werden. Denn bisher gibt es in Deutschland noch keine Erfahrungswerte, was die genauen Kosten der drei Technologien anbelangt. Es ist deswegen durchaus vorstellbar, dass die Agri-PV unter den momentanen Ausschreibungsbedingungen 2022 leer ausgeht.
5. Qualitätskriterien schaffen Synergien und sichern gesellschaftliche Akzeptanz
Voraussetzung für einen langfristigen Erfolg der Agri-PV wird ein entsprechender Rückhalt in der Bevölkerung sein. Dies zeigen unter anderem Erfahrungen beim stockenden Ausbau der Windenergie. Solange in der Gesellschaft noch kein klares Meinungsbild herrscht, ist es deshalb nach Ansicht des Fraunhofer ISE und des DBV besonders bei der Markteinführung der Agri-PV wichtig, die Qualität der Anlagen hoch zu halten. Dies bedeutet vor allem sicherzustellen, dass die Interessen der Landwirtschaft gewahrt bleiben und die Akzeptanz in der Bevölkerung erhalten bleibt. Fraunhofer ISE und DBV stimmen darin überein, dass sich die Photovoltaik unterord-nen muss, wenn sie in die landwirtschaftliche Produktion integriert werden soll. Nur so ist eine echte Doppelnutzung der Fläche möglich. Die Synergien der Agri-Photovoltaik kommen erst dann wirklich zum Tragen, wenn die landwirtschaftliche Bewirtschaftung ohne nennenswerte Einschränkungen möglich bleibt.
Dass die Landwirtschaft durch die PV-Überdachung tatsächlich profitieren kann, konnte im Projekt APV-RESOLA durch den teilweisen Anstieg der landwirtschaftlichen Erträge nachgewiesen werden. Teil des Projekts ist zudem die Erarbeitung einer Vornorm zusammen mit dem Deutschen Institut für Normung (DIN), die Selbstanforderungen im Hinblick auf die landwirtschaftliche Hauptnutzung definiert. Die Ergebnisse wurden kürzlich vom Beuth-Verlag veröffentlicht. Mehr Informationen zur Agri-PV-Forschung am Fraunhofer ISE finden sich hier.
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