Die Vorsitzende des Bundesverbandes Urlaub auf dem Bauernhof und Landtourismus in Deutschland, Ute Mushardt, über ihre Erwartungen an das Infrastrukturpaket, die Hoffnung auf eine Ministerin mit Tourismuserfahrung sowie den Umgang mit knappem Personal. 

Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD liegt vor. Was bringt er den Ferienhöfen? 

Ute Mushardt: Ein wichtiger Punkt ist für uns die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. Der Wechsel von der täglichen zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit stellt eine große Erleichterung dar. Ebenfalls zugutekommt uns die Ausweitung der sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung auf 90 Tage. Positiv ist auch die Mehrwertsteuersenkung auf Speisen und Getränke in der Gastronomie. Wir hatten eine Stärkung der Gemeinschaftsaufgabe gefordert - auch dies wurde aufgenommen. Und nicht zuletzt ist die Einigung ein wichtiger Schritt hin zu einer Regierungsbildung. 

Alle reden vom Mindestlohn. Sie nicht? 

Mushardt: Die meisten Betriebe bekommen zum Mindestlohn keine Arbeitskräfte mehr, vor allem, wenn wir über verantwortungsvollere Arbeiten sprechen. Kritisch ist das für den Bereich der Saisonarbeitskräfte. Ein 15 Euro-Mindestlohn stellt für viele Betriebe eine große Herausforderung dar, aber klar ist auch, gutes Personal müssen wir gut bezahlen. 

Wie macht sich der allgemein beklagte Arbeitskräftemangel auf den Ferienhöfen bemerkbar? 

Mushardt: Ein Viertel unsere Betriebe vermelden, dass der Personalmangel deutlich spürbar ist und die Weiterentwicklung der Betriebe hemmt. Viele unserer Betriebe arbeiten mit geringfügig Beschäftigten oder Teilzeitbeschäftigten. Wir beobachten, durch die Steigerung der Kosten für den Lebensunterhalt ist der eine oder andere eher bereit, zusätzlich einen Nebenjob anzunehmen. Das sind Schüler und Studenten, Rentner, Teilzeitbeschäftigte. Um die müssen wir uns bemühen. Das ist kein Selbstläufer, sondern will gelernt sein. Wie integrieren wir Mitarbeiter in unsere Familienbetriebe? Wie erreichen wir ein gutes Miteinander? Und was braucht es, damit Zusammenarbeit nicht nur funktioniert, sondern auch Freude macht? Zu all diesen Fragen bieten wir als Bundesverband Unterstützung durch Online-Webinaren an. 

Die Koalition will eine neue nationale Tourismusstrategie entwickeln. Könnten Ihre Mitglieder davon profitieren? 

Mushardt: Nur wenn die nationale Tourismusstrategie verbindliche Ziele und konkrete Maßnahmen festlegt und nicht wie bisher als Best Practice-Sammlung scheitert. Wichtiger wäre für uns allerdings die Sicherung der Tourismusfinanzierung und der touristischen Infrastruktur. 

In Bayern ist das Landwirtschaftsministerium auch für Tourismus zuständig. Ein Modell für den Bund? 

Mushardt: Der Tourismus ist neben der Landwirtschaft und dem Handwerk das wirtschaftliche Rückgrat der ländlichen Räume. Es lassen sich viele Synergien nutzen, von regionalen Wertschöpfungsketten bis hin zu Innovationen, wenn man die beiden Themen gemeinsam denkt. 

Wir stehen am Beginn der Urlaubssaison. Wie ist die Stimmung in den Betrieben? 

Mushardt: Wir sind optimistisch! Wenn das Wetter mitspielt, können wir auf eine hohe Auslastung hoffen. Wir liegen Ostern bei gut 80%, von anderen Betrieben höre ich Ähnliches. Wir freuen uns auf die Gäste, die kommen. 

Ist der Corona-Einbruch überwunden? 

Mushardt: Wir sind auf einem guten Weg. Die Aufwärtsentwicklung stabilisiert sich. 

Was hat sich geändert? 

Mushardt: Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass in der Vor- und Nachsaison langfristig im Voraus gebucht wird. Bis vor einigen Jahren war das noch so. Heute buchen die Gäste kurzfristiger, kürzer und fast ausschließlich online. Darauf müssen und können wir uns einstellen. Online-Buchbarkeit ist mittlerweile Standard. Als landtouristische Betriebe sind wir mittlerweile auf allen Portalen sichtbar und über sie kann gebucht werden. Wir haben uns auf die Bedürfnisse unserer Gäste eingestellt. Es läuft. 

Profitieren der Inlandsurlaub und insbesondere der Landurlaub von der Verunsicherung in der Bevölkerung, die mit der weltpolitischen Lage einhergeht? 

Mushardt: So pauschal lässt sich das meines Erachtens nicht sagen. Die Leute fliegen immer noch günstig in die Türkei, auch wenn die politischen Verhältnisse dort beunruhigend sind. Richtig ist aber, Deutschlandurlaub ist weiter im Trend, insbesondere bei Familien mit Kindern, bei älteren Leuten, auch bei Menschen mit Haustieren – Flugreisen mit Hund sind nun mal anstrengend. Unsere Betriebe stellen sich auf diese Zielgruppen ein und erschließen auch neue Zielgruppen. Seit diesem Jahr bieten wir den UrlaubsWellnesshof an. 

Nach der Bundestagswahl gab es Berichte, dass Urlauber Buchungen in einzelnen ostdeutschen Regionen storniert haben. Ist Ihnen so etwas auch von Ferienhöfen bekannt? 

Mushardt: Nein. Meines Wissens ist das bei unseren Mitgliedsbetrieben nicht vorgekommen. Ich glaube, dass die Gäste sehr wohl differenzieren und ihr Reiseziel bewusst wählen, zum Wandern, für Kulturtourismus, Naturtourismus und nicht auf Basis von Wahlergebnissen ein ganzes Bundesland verurteilen. 

Was tut ihr Verband, um eine Willkommenskultur zu erhalten oder wiederherzustellen? 

Mushardt: Urlaub auf dem Bauernhof steht für Gastfreundschaft und Vielfalt unabhängig von Herkunft und Aussehen. Wie sollte es auch anders sein? Ich gebe Ihnen recht, Willkommenskultur ist ein gesamtgesellschaftliches Thema im ländlichen Raum. Wir müssen offen sein für Menschen, egal ob sie als Gäste kommen oder als zukünftige Mitarbeiter. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie sich wohlfühlen bei uns. Da geht es auch darum, Alltagsbedürfnisse zu decken, Beratungsangebote zu machen, soziale Kontakte zu ermöglichen. Integration ist ein Thema für die Kommunen, ebenso wie für die Verbände, also auch für uns. 

Was erwarten Sie vom geplanten 500 Mrd. Euro-Infrastrukturpaket? 

Mushardt: Das bewerten wir grundsätzlich positiv. Aber wir werden darauf drängen, dass die ländlichen Räume ein angemessenes Stück vom Kuchen bekommen, beispielweise in die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Aber auch in vielen anderen Bereichen gibt es einen großen Bedarf. Denken Sie an die Sanierung der Dorfkerne, den Hochwasserschutz, Investitionen in die Energieinfrastruktur. Wir müssen überall was tun. Die Menschen in den ländlichen Räumen erwarten zu Recht Signale. 

Ein Dauerthema ist die überbordende Bürokratie, auch für die Ferienhöfe. Hat das Bürokratieentlastungsgesetz etwas gebracht? 

Mushardt: Mit dem Gesetz ist die Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige abgeschafft worden. Viele Kommunen nutzen aber weiter den Meldeschein zur Abwicklung und Erhebung von Kurbeiträgen, Bettensteuer und Tourismusabgabe. Die Entlastungswirkung für unsere Ferienhöfe hat sich also nicht eingestellt. Wir müssen dringend dahin kommen, dass Berichtspflichten synchronisiert werden, z. B. bei der Nachhaltigskeitsberichterstattung der Unternehmen, hier müssen wir erreichen, dass unsere Standards - wir machen QS Fleisch und Kartoffeln - von anderen Standrads anerkannt werden. 

Mit Urlaub auf dem Bauernhof ist gutes Geld zu verdienen. Stimmt das noch? 

Mushardt: Ja. 

Auch für Neueinsteiger? 

Mushardt: Wir freuen uns über jeden, der neu in den Urlaub auf dem Bauernhof einsteigt. Der Markt bietet Möglichkeiten. An Grenzen stoßen die Betriebe allerdings, wenn sie die gesetzlichen Möglichkeiten im Baugesetzbuch nutzen wollen, ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude für Wohnzwecke umzunutzen. Einige Landkreise beharren auf der Grenze von drei Wohnungen, obwohl das Baugesetzbuch flexible Handhabungen ermöglicht. Urlaub auf dem Bauernhof hat sich professionalisiert. Das muss sich auch in der Nutzung im Außenbereich niederschlagen. Mit weniger als fünf Ferienwohnungen wird heute kein wirtschaftlicher Betriebszweig aufgebaut. Wer professionell in den Tourismus einsteigen will, braucht neben Qualität eine gewisse Größenordnung. 

Sie sind Anbieterin von Urlaub auf dem Bauernhof und wünschen sich viel Sonne. Als Landwirtin brauchen Sie im Moment allerdings dringlicher Regen Wie gehen Sie mit diesem Dilemma um? 

Mushardt: Ich wünsche mir eine gute Mischung. Ferienhöfe brauchen nicht nur Sonnenschein. Urlaub auf dem Bauernhof ist auch bei Regen sehr erholsam. Die Höfe haben unter ihren Dächern einiges zu bieten. 

Eine Langfassung dieses Interviews ist bei AgraEurope erschienen.

Ute Mushardt, Vorsitzende des Bundesverbandes Urlaub auf dem Bauernhof und Landtourismus in Deutschland